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Das Deutsche und das Marokkanische Familienrecht - Druckversion

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Das Deutsche und das Marokkanische Familienrecht - Roman - 02.06.2018

Ausgabe 2006 in deutscher Sprache

Der erstmals im Jahr 1996 herausgebrachten Broschüre, lag das Anliegen zugrunde, den Partnern gemischtnationaler Ehen Einblick in die beiderseitigen Rechtsordnungen zu geben, weil nur dies es bei weltanschaulich so unterschiedlich vorgeprägten Systemen wie in Marokko und Deutschland ermöglicht, einzuschätzen, worauf man sich einlässt, und den Anschauungen des anderen mit Respekt zu begegnen.

Die Welt - das gilt sowohl für deutsches als auch für marokkanisches Recht – hat sich weiterentwickelt. Nach einer in einigen Punkten zu einer Verbesserung der Stellung der Frau führenden Reform im Jahr 1993 hat insbesondere Marokko sein Familienrecht - unter Beibehaltung islamischer Fundierung -moderneren gesellschaftlichen Erfordernissen und Vorstellungen angepasst und dabei vor allem die Rechte der Frauen wie auch von Kindern in wesentlichen Punkten verbessert. Die im offiziellen Bulletin Marokkos verkündete Moudawana ist seit dem Februar 2004 in Kraft und wird seit April 2004 angewendet.

Vorwort Prof. Dr. Abdelouhhab Tazi Saoud

Die Rechtsstellung der Frau in Marokko hat sich seit der Unabhängigkeit unseres Landes grundlegend geändert. Nachdem sie seit Jahrhunderten völlig zurückgezogen im Hause gelebt hatte, um ihre Familie zu versorgen, ihre Kinder zu erziehen und an erster Stelle sich um ihren Mann zu kümmern, hat sie ihre Situation allmählich verbessert und ihre Rechtsstellung in der Gesellschaft verändert.

Von jetzt an ist sie Wählerin, Ärztin, Rechtsanwältin, Richterin, Universitätsprofessorin, Unternehmerin, Ingenieurin, Diplomatin, Abgeordnete, Ministerin, Beamte, Verwaltungschefin und noch mehr... Kurz, sie ist ausnahmslos in allen gesellschaftlichen Bereichen präsent.

Nachdem sie lange Zeit hinter dem Herd verbannt war und vergessen war, erlangt sie ihre soziale und wirtschaftspolitische Würde wieder, die ihr ermöglicht, sich selbst zu verwirklichen und bei dem Aufbau der modernen marokkanischen Gesellschaft mitzuwirken. Die männliche, von Eifersucht geprägte Dominanz, die aus einer engstirnigen Interpretation der Gebote des Islams resultiert, ist im Allgemeinen nur ein Relikt aus alter Zeit.

Die moderne Zeitentwicklung und das Wiederaufleben des Themas, welche sie herausfordert und sogar verlangt, bedenken in reichlichem Maße die geistigen Revolutionen, die das Individuum, die Gesellschaft, die wissenschaftlichen und sozialen Errungenschaften zu Gunsten der neuen Generationen betreffen.

Die neuen Lektüren der Quellen der Charia (Koran, Sunna), die modernen Interpretationsversuche, der Konsens der Glaubensgelehrten (Ulèmas) dürfen künftig nicht mehr ausgeführt werden ohne Berücksichtigung der Zweckbestimmtheiten des islamischen liberalen Gesetzes, das die Gleichheit zwischen den Menschen und den Geschlechtern in dem Respekt vor dem Gesetz und der menschlichen Würde hervorheben.

Die aus einer vergangenen Epoche stammenden Gesetzesvorlagen in dem Bereich der Rechtsprechung, aus einem Gedankengut verbunden mit nicht mehr zeitgemäßen Ansichten und einer veralteten sozialen Lage, dürfen die islamische Gesellschaft in der Zeit der Interkulturalität und der Globalisierung nicht mehr weiter bestimmen.

Die zwingend notwendige Schaffung und das Vorantreiben einer neuen demokratischen Gesellschaft, die den modernen internen und externen Herausforderungen standhält, erfordern eine entscheidende Änderung der Mentalitäten und der Verhaltensweisen.

Die Umgestaltung der „Moudawana“ ist ein nötiger Schritt in Richtung auf die Demokratisierung und die Stabilität des Landes, beginnend mit der Schaffung und der Förderung einer soliden Rechtsstellung der Familie auf den Grundlagen der Demokratie und der rechtlichen und sozialen Gerichtsbarkeit, damit die Frau neben dem Mann an der Gründung und an dem Aufbau der neuen modernen marokkanischen Familie wirksam und gleichberechtigt teilnimmt.

Heutzutage durchlebt die islamische Gesellschaft im allgemeinen und insbesondere in Marokko eine schwierige Zeit der Herausforderungen und Veränderungen, die sie mit Begeisterung erfüllt in der Hoffnung, eine neue Ära der Verantwortung und der Freiheit im Zeichen der modernen Werte und der wohlbringenden Kreativität einleiten zu können.

Aus diesem Grunde hat der marokkanische Gesetzgeber einen historischen Schritt unternommen, der es nicht versäumt, den Kurs auf eine bessere Zukunft zu lenken, in der die Rechte der Frau geschützt, bestätigt und weitgehend respektiert werden.

Leseprobevon der Autorin

Nach deutschem Recht kommt die Ehe durch Eheschließung vor dem Standesbeamten, also nicht durch kirchliche Trauung zustande, und erfolgt in der Weise, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen (§§ 1310, 1311 Bürgerliches Gesetzbuch = BGB). Zuständig ist im Grundsatz der Standesbeamte, in dessen Bezirk einer der Verlobten seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 6 II Personenstandsgesetz = PStG).

Die Verlobten haben die beabsichtigte Eheschließung bei dem zuständigen Standesbeamten anzumelden und müssen hierzu ihre Abstammungsurkunden sowie beglaubigte Abschriften des Familienbuchs oder Auszüge aus diesem vorlegen (§§ 4,5 PStG). Ausländer müssen im Grundsatz auch ein Zeugnis ihres Heimatstaates darüber beibringen, dass der Eheschließung nach dem Recht dieses Staates kein Ehehindernis entgegensteht (§ 1309 BGB). Da Marokko ein solches nicht ausstellt, muss Befreiung hiervon beantragt werden (vgl. Kap. 2.1.3.1).

Die Eheschließung ist im Beisein der Ehegatten und, wenn – was freigestellt ist – Zeugen hinzugezogen werden, auch in deren Gegenwart zu beurkunden, und in das Heiratsbuch einzutragen. Die Eintragung ist von den Ehegatten, den Zeugen und dem Standesbeamten zu unterschreiben (§ 9, 11 PStG). Anschließend erstellt der Standesbeamte das Familienbuch (§ 12 PStG), in das später auch alle weiteren die Ehe und Familie betreffenden Personenstands-Veränderungen eingetragen werden.

Eheschließung nach marokkanischem Recht

Nach marokkanischem Recht kommt die Ehe durch einen Vertrag zustande, durch den sich ein Mann und eine Frau zum gemeinsamen und dauernden ehelichen Leben verpflichten (Art. 4, 10 Code du Statut Personnel et des Successions = CSP). Die für eine Eheschließung erforderlichen Erklärungen werden nunmehr in Gegenwart beider Ehepartner in einer Sitzung den zur Entgegennahme zuständigen Adoulen abgegeben. Die Adoulen nehmen ein Feststellungsprotokoll auf (Art. 17 CSP). Bei diesen Adoulen wird auch der Ehevertrag – Angebot und Annahme – mit allen vereinbarten Bedingungen hinterlegt (Art. 13 Abs. 4 CSP).

Die Vertretung bei der Eheschließung ist zwar nach wie vor zulässig, aber an Erschwernisse und eine Ermächtigung durch den Richter gebunden (Art. 17 CSP).So muss der Auftrag (zur Vertretung) – anders als der Ehevertrag (vgl. Kap. 2.1.4.2) – den Betrag und die Fälligkeit der Morgengabe benennen (Art. 17 Nr. 5 CSP).Für Frauen gilt, dass sie sich zwar nicht mehr – wie bisher – durch einen Ehevormund (Wali) bei der Eheschließung vertreten lassen müssen (Art. 25 CSP); Frauen haben jedoch, wenn sie volljährig sind, ohne weitere Voraussetzungen das Optionsrecht, statt die Ehe persönlich abzuschließen, wie es ihnen Art. 25 CSP ermöglicht, sich durch ihren Vater oder einen seiner Verwandten vertreten zu lassen (Art. 24 CSP).

Die für die Eheschließung beizubringenden Dokumente (z.B. Gesundheitszeugnis, Ehefähigkeitszeugnis bei Ausländern, Genehmigung der Mehrehe, der Ehe mit einem zum Islam übergetretenen Verlobten sowie der Eheschließung vor Eintritt der gesetzlichen Volljährigkeit) werden von einem Richter beglaubigt und im Kanzleisekretariat des Familiengerichts der Eheschließung aufbewahrt (Art. 65 CSP). Der Richter ermächtigt die beiden zuständigen Adoulen zu der Beurkundung der Eheschließung. Diese nehmen die Eheschließungserklärungen der Verlobten entgegen und erstellen über den Eheschließungsakt eine Heiratsurkunde, die neben der Ermächtigung des Richters die maßgeblichen Angaben über die Identität der Partner, deren Eheschließungserklärungen, deren Status und Ehefähigkeit sowie die Erteilung erforderlicher Genehmigungen, die zwischen ihnen vereinbarten Bedingungen und ihre Unterschriften sowie diejenige des Vormunds ausweist, sofern es eines solchen bedurfte (Art. 67 CSP). Der Richter erklärt die Urkunde unter Beifügung seiner Siegel für gültig. Das Original erhält die Frau und eine Abschrift der Ehemann. Die Heiratsurkunde begründet den Beweis gültiger Eheschließung (Art. 16 Abs. 1 CSP) und wird in das örtliche Heiratsregister des Familiengerichts aufgenommen. Eine Abschrift geht an die Standesämter der Geburtsorte beider Eheleute. Bei Ausländerbeteiligung wird die Urkundensammlung an den Staatsanwalt bei dem Gericht 1. Instanz in Rabat übermittelt (Art. 69 CSP).

Die Heiratsurkunde weist bestimmte Merkmale aus, wie die Angaben zu den Personalien der Verlobten und eines zu der Eheschließung beauftragten oder wegen Minderjährigkeit eines Verlobten erforderlichen Ehevormundes, die Angebots- und Annahmeerklärung, Betrag und Fälligkeit der Morgengabe, sofern vereinbart, sowie die zum Gegenstand der Vereinbarung gemachten Bedingungen (Art. 67 CSP). Diesen Bedingungen, also dem Ehevertrag, kommt für die Ehe nach wie vor, wie noch ausgeführt wird, große Bedeutung zu.

Die Heiratsurkunde begründet den Beweis gültiger Eheschließung, wobei Parteien, bei denen die Eheschließung aus Gründen höherer Gewalt nicht fristgerecht registriert worden ist, also keine Heiratsurkunde vorgelegt werden kann, nunmehr binnen 5 Jahren seit In-Kraft-Treten des neuen Gesetzes Klage auf Anerkennung ihrer Eheschließung erheben können (Art. 16 CSP). Damit dürfte der – bislang als Nachweis der Eheschließung auch durch deutsche Gerichte berücksichtigten – Praxis der Boden entzogen sein, wonach früher bei Fehlen einer Heiratsurkunde auf den Nachweis eines traditionellen Verfahrens der Hinzuziehung von 12 Lafif-Zeugen und der Beurkundung ihrer Hinzuziehung durch die Adoulen zurückgegriffen wurde.

Die Autorin Gisela Wohlgemuth, 
Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf a.D.

Gisela Wohlgemuth Geboren in Berlin, verheiratet, ab 1965 im richterlichen Dienst, ab 1977 Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf, seit Jahren als Mitglied eines Senates für Familiensachen beim Oberlandesgericht (in 2. Instanz) tätig und in zunehmendem Maße auch mit Problemen der Scheidung gemischt-nationaler Ehen und der Folgeregelungen befasst (Anm. d. Red.: So im Fall einer deutsch-marokkanischen Ehe - siehe Urteile des 5. Familiensenates des OLG Düsseldorf aus 1992 - 5 UF 3/89 und 80/92). Nebenberuflich Mitglied des Deutschen Familiengerichtstages und der Wissenschaftlichen Vereinigung für Familienrecht sowie im standesrechtlichen Bereich der Richter (Richterbund) engagiert.

Kontaktadressen

Botschaft des Königreichs Marokko in Berlin
http://www.maec.gov.ma/berlin 
Niederwallstr. 39, 10117 Berlin

Sie können die Broschüre kostenlos anfordern:
Broschüre Familienrecht