8 Tage Marokko-Rundreise komplett für 895 €
#1
Unter der Lupe: 8-tägige Rundreise durch Marokko

Endlich wieder Tourismus in Marokko! Warum ist der Jubel aus dem Land trotzdem verhalten? Weil Zahlen für sich sprechen!

Ein Reisebüro wirbt mit dem verlockenden Satz: Eine Reise durch Marokkos Süden verzaubert den Besucher durch malerische Landschaften.
Ein Interessent bucht, kostet ja komplett nur 895 €.

Der Anfang dieser Geschichte ist eine Mail mit folgendem Betreff und Inhalt:
·        kostenfreies Material für eine Rundreise nach Marokko
Sehr geehrte Damen und Herren,
wir werden als Reisebüro eine Rundreise durch Marokko mit folgenden Stationen durchführen:
Agadir, Marrakech, Hoher Atlas, Aït-Ben-Haddou, Draa Tal, Zagora, Rissani, Erfoud, Erg Chebbi, Todra Schlucht, Straße der Kasbahs, Quarzazate, Anti Atlas, Taroudannt.
Können Sie mir für einige dieser Ziele und Marokko allgemein kostenfreies Material zusenden. Wir stellen in Vorbereitung auf die Reise Mappen für die Kunden zusammen.
Wir sind insgesamt 31 Personen, ich würde es 20 X benötigen.
Vielen Dank im Voraus!!

Ungewöhnliche Anfrage – das Reisebüro verdient Geld mit der Reise! Ein paar bunte Blättchen – egal was – zu versenden macht immer guten Eindruck. Bezahlen können es aber bitte die, die das Material zusammenstellen…

Jetzt ein laienhafter Versuch, rückwärts zu kalkulieren:
Die Reise kostet 895 €. Davon gehen ab: 170 € (~19% Mehrwertsteuer?), ~100 € (Verdienst Reisebüro), ~ 100 € (Verdienst Reiseveranstalter), ~200 € Flugkosten -> ~325 € bleiben für Marokko.

Auch ohne Preisdetails zu kennen – das ist nicht üppig, bleiben wir bei der Wahrheit, kann es nur unter der Rubrik Preisdumping eingeordnet werden. Aber davon bekommt der Reiseteilnehmer nichts mit. Der möchte sich erholen.

Gut gelaunt reist er nach Frankfurt, um sich entspannt in der Maschine nach Agadir niederzulassen. Einreiseformalitäten sind erledigt, jetzt beginnt der Urlaub! Ach halt, es geht ja noch nach Marrakech weiter. Am Ausgang wartet der Reiseleiter, sammelt die Teilnehmer ein und führt sie zum Bus. 250 km und etwa 4 Stunden später erreicht der Urlauber seine Unterkunft für die nächsten zwei Nächte. Die Spannung steigt, am nächsten Morgen steht ein Stadtrundgang durch Marrakech an, deshalb schnell ins Bett, um morgen fit zu sein.
Läuft alles nach Plan, der Urlauber bekommt viel zu sehen, die neuen Eindrücke können kaum verarbeitet werden. Bisschen lästig nur, dass der Rundgang in ein Geschäft mit Teppichen führt, das Zeigen der durchaus schönen Teppiche zieht sich in die Länge, ständig wird Tee gereicht. Endlich Aufbruch, bis der Guide schnurstracks im Gewirr des Bazars erneut ein Geschäft betritt, diesmal mit Lederwaren und dem Urlauber strahlend erklärt, sein Onkel arbeite hier, deshalb kann er auch ganz besonders günstige Preise aushandeln… Zwei weitere Besuche dieser Art folgen noch, der Urlauber beginnt, sich auf die morgige Abreise aus Marrakech zu freuen…

Zu früh? Der Bus schraubt sich über die Tizi n´Tichka-Passhöhe, fantastische Ausblicke, malerische Dörfer sind aus dem Fenster kurz erkennbar. Fotopause? Wir halten gleich in Aït-Ben-Haddou an! Da sind aber die Berge vorbei, registriert der enttäuschte Urlauber. Trotzdem, der Weltkulturerbe-Ort Aït-Ben-Haddou fasziniert, schade, dass es so schnell in das nächste Restaurant geht, nur die Souvenirhändler vor dem Eingang fordern noch etwas Aufmerksamkeit… Nach 370 km anspruchsvoller Strecke und reichlich 7 Stunden im Bus versucht der Urlauber in Zagora seine Eindrücke im Bett zu verarbeiten. Morgen wird es sicher weniger anstrengend, hofft er vor dem Einschlafen.

Ob er weiß, dass 500 km und weitere 8 Stunden im Bus vor ihm liegen? Was draußen an Landschaft vorbeizieht, begeistert den Urlauber. Nur langsam beginnt es ihn zu nerven, wenn bei jedem Toilettenstopp oder einem Mittagsimbiss bereits etliche Souvenierhändler den Bus erwarten. Woher wissen sie das? Nach Ankunft in Erfoud kann der Urlauber das optionale Angebot zu einer Wüstenfahrt mit Wanderung, Kamelritt und Sonnenuntergang buchen. Klingt verlockend, jedoch prüft er sich ehrlich, ob er noch Lust verspürt, erneut in den Bus zu steigen.

Heute hat der Urlauber nur 310 km vor sich, mit Zwischenstopp in der gewaltigen Todgha Schlucht. Noch bevor der Bus richtig zum Stehen kommt, stürzen die Souvenierhändler an die Türen. Der Urlauber überlegt, ob er lieber im Bus sitzen bleiben und durch das Fenster fotografieren soll? Am späteren Nachmittag dann endlich mal Gelegenheit, um auf der Hotel-Terrasse in Ouarzazate einen Kaffee zu genießen.

Der vorletzte Tag – 360 km bis Agadir bedeuten gut 6 Stunden Fahrzeit, aber es gibt ja eine Unterbrechung in Taroudant. Endlich ist Agadir erreicht. Bereits beim Einschlafen freut sich der Urlauber auf den folgenden Strandtag. Kaum dort angekommen streckt er sich auf dem Handtuch aus, schließt die Augen und sinkt in einen erschöpften Tiefschlaf, hört nicht einmal die zahlreichen Angebote der fliegenden Händler, die vergeblich versuchen, ihm etwas anzubieten.

Gedanken des Urlaubers auf dem Heimflug: Marokko ist interessant, landschaftlich und kulturell. Man sollte nochmal mit mehr Zeit wiederkommen. Wenn nur nicht die lästigen Händler wären, die Touristen überall auflauern…

Hier braucht der Urlauber eine Erklärung: von den verbleibenden ~325 € müssen Kosten für Bus, Sprit (1800 km), Übernachtungen und Verpflegung bestritten werden. Der Rest ist so minimal, dass Fahrer und Reiseleiter nur einen Hungerlohn erhalten. Um sich ihr Gehalt etwas aufzubessern, sind sie darauf angewiesen, Touristen in Geschäfte zu lotsen, Händler über die Stopps eines Busses zu informieren. Kauft der Urlauber jetzt etwas, erhalten Fahrer oder Reiseleiter einen vorab verabredeten Obolus. Bitter notwendig für sie, schadet dieses Verhalten dem Image Marokkos ganz gewaltig. Der Beigeschmack des Urlaubers bleibt, weil er nicht hinter die Kulissen schauen kann.

Und das ist die Antwort, warum der Jubel aus Marokko verhalten ist. Weil Zahlen für sich sprechen!
                               
 
Barbara & Andreas
marokko-erfahren.de
marokko-erfahren ist eine unabhängige europaweite Privatinitiative zur Förderung von Beschäftigung und Kulturerhalt.
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#2
Schön, dass Du das einmal deutlich geschrieben hast.

Leider lesen die Art von Menschen, die solche Reise buchen, i.d.R. nicht hier m Forum.




.
Mit besten Grüßen aus Errachidia,

Thomas



In Marokko ist alles möglich nur nichts schnell.
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#3
Solche "Angebote" findest Du für nahezu alle Destinationen mit dem immer wieder gleichen Hintergrund.
Wenn man sich dessen  bewußt ist, kann es für den Reisenden als Grobüberblick über ein Land, das man später einmal richtig bereisen möchte, trotzdem Sinn machen. Opfer sind aber immer die Locals sowie die übrigen Reisenden.
Grüße vom Niederrhein
Michael Hausmann
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