Marokko-Erfahren erneut auf Entdeckungsreise in Marokko
#61
Taragalte-Festival - M’hamid

Gern nehmen wir einen Umweg von 700 km in Kauf, als wir registrieren, dass in Mhamid El Gizlane das Taragalte-Festival stattfindet. Haben wir doch unsere Erlebnisse vom Nomadenfestival 2018 als sehr angenehm in Erinnerung. Eingeladen sind wir als Würdigung unserer Arbeit dankenswerter Weise im Hotel Chez le Pascha und genießen in der großzügigen Anlage herrliche Ruhetage nach nächtlichen Konzertvergnügen.

   

Abends trudeln wir im Ort ein, um etwas zu essen und dann Musik zu genießen. Etwas ratlos fahren wir durch ein fast ausgestorbenes Mhamid, leere Straßen, Geschäfte geschlossen. Wir überlegen tatsächlich, ob wir uns im Termin getäuscht haben, wenden, um im Hotel Abendbrot zu essen. Da hält neben uns ein Auto, der Fahrer fragt, ob wir ein Quartier suchen. Das verneinen wir, fragen ihn aber gleich nach dem Ort, an dem das Festival stattfindet. Er beschreibt einen Platz außerhalb von Mhamid. Beruhigt suchen wir ein kleines Restaurant auf, fahren dann der Beschreibung des hilfsbereiten Mannes nach. Immer noch etwas unsicher laden wir den ersten sympathisch aussehenden Tramper ins Auto, der uns den Weg weist. Zuerst geht es noch auf Asphalt über den Fluss und durch das nächste Dorf. Plötzlich zeigt er nach rechts auf eine Sandpiste, gut gewässert und somit auch für einen normalen PKW befahrbar, rechts und links gesäumt von Säulen mit der Beschriftung: Taragalte-Festival. Reichlich 2 km heizen und holpern wir sie entlang, das Gewimmel nimmt zu, bis wir auf einer großen Fläche das Auto abstellen. Wir gehen  nicht durch das hell erleuchtete Eingangsportal, sondern folgen den Strömen der Marokkaner über Sanddünen. Und da liegt die Bühne vor uns, tanzende Marokkaner stehen davor, genießen die Musik. Nachdem wir uns in der Dunkelheit einigermaßen orientiert haben, suchen wir uns einen Platz auf einer Düne. Eine unbeschreibliche Kulisse um uns herum. Das Festgelände liegt mitten in der Wüste, eine platt geschobene Fläche umgeben von verschieden hohen Sanddünen. Und darüber wölbt sich der unfassbare Sternenhimmel, so intensiv, wie er immer beschrieben wird.

Eigentlich wissen wir kaum, wo wir hinschauen sollen. Auf der Bühne wechseln sich verschiedene Gruppen ab, mit technisch bedingten langen Umbauphasen. Um uns herum Gruppen von Frauen mit Kindern, teilweise Säuglingen, Nomaden mit grandios gewickelten Turbanen, hier und da rauchende Marokkaner. Die teilweise aufsteigenden Gerüche deuten nicht immer auf reinen Tabakgenuß hin... Das erklärt auch die an manchen Stellen eskalierenden Auseinandersetzungen, von Ordnungskräften schnell wieder in Schach gehalten.

Bis Mitternacht genießen wir, dann treibt uns die kühle Nacht heim. Bei tagsüber 35°C friert man nachts schnell, wenn das Thermometer auf 15°C absinkt. Der Sand, den man am Tag nur mit Schuhen betreten kann, will man sich nicht die Fußsohlen verbrennen, kühlt ohne Sonneneinstrahlung extrem aus.

Am nächsten Vormittag besuchen wir das Festgelände im Hellen und sind noch begeisterter von der Landschaft. Sanddünen, so weit das Auge reicht, dazwischen einige Reste von überlebenden Sträuchern, sonst kein Baum, kein Haus, einfach NICHTS!
Abends essen wir im Hotel, bevor wir mit etwas angemessener Bekleidung erneut starten. Der Abendhimmel sieht so phantastisch aus, rosa leuchten die Wolken, bevor der orangefarbene Himmel langsam in die Dunkelheit übergeht. Spontan beschließen wir, dieses Spektakel am Sonntag vor Ort zu genießen, da am Rande des Festgeländes auch Verpflegung angeboten wird.

Pünktlich zum Sonnenuntergang sind wir da und finden in einem Zelt ein Plätzchen, an dem wir Sandwich und Cola bei Kerzenschein essen, beobachten von unserem Platz die Himmelsfärbung. Nebenan sorgt eine Ahwach-Gruppe für Unterhaltung, bis gegen 21 Uhr der Stromausfall, der die gesamte Bühne in Dunkelheit getaucht hatte, behoben war. Als erstes tritt eine Gruppe aus dem Sudan auf, begleitet von mystischen Tänzen, eine Augenweide. Danach bezaubert eine Marokkanerin, begleitet von einem Gitarristen mit sehr gefühlvollen Liedern. Phasenweise tut sie mit regelrecht leid, da von Marokkanern lautstark gegengesteuert wird. Vermutlich fehlt ihnen die Dynamik, ich dagegen bekomme fast Gänsehaut bei ihren Songs - im Sand liegend mit Blick zum Sternenhimmel. Erwartungsgemäß beginnt die Masse zu toben, als die nächste Gruppe die Bühne betritt, mit dem Gitarristen der hier so beliebten Band Tinariwen Elwan. Bis weit nach Mitternacht lauschen und beobachten wir, dann treibt uns die Müdigkeit ins Bett.

Immer wieder stellen wir fest, dass Konzerte in Marokko weitaus vielschichtiger, entspannter und deutlich erlebnisreicher verlaufen, als wir es von Deutschland gewöhnt sind. Und das liegt nicht nur an der Kulisse, sondern auch an den Zuhörern, die mit viel weniger zufrieden sind, denen  Musik und Gemeinschaft wichtiger ist, als Konsum.
Wer es einrichten kann, in seinen Marokko-Aufenthalt einen Festivalbesuch einzubauen, sollte sich so ein kulturelles Ereignis nicht entgehen lassen, vielleicht sogar - wie wir - einen Umweg dafür einplanen.
Barbara & Andreas
marokko-erfahren.de
marokko-erfahren ist eine unabhängige europaweite Privatinitiative zur Förderung von Beschäftigung und Kulturerhalt.
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RE: Marokko-Erfahren erneut auf Entdeckungsreise in Marokko - von marokko erfahren - 31.10.2022, 22:04

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