20.10.2023, 12:44
Am Rand einer Hochzeit
Telefonisch buchen wir aus Rissani eine Unterkunft für eine Woche in Zagora. Anreise und Empfang laufen ganz unkompliziert. Es ist eine einfache Unterkunft, aber viel mehr als Betten zum Schlafen und eine Dusche brauchen wir kaum. Dass nur kaltes Wasser aus der Leitung fließt, stört uns bei der Außentemperatur von 30°C nicht, die eine komplett durchgelegene Matratze lasse ich nach einer Nacht auf Sprungfedern doch auswechseln...
Am Mittwoch verkündet uns Belaid, Inhaber der Unterkunft, dass hier in den nächsten Tagen eine Doppelhochzeit seiner Zwillingstöchter stattfinden wird. Wir sind gespannt.
Donnerstag und Freitag werden im Hof Zelte aufgebaut, kein Platz mehr für Autos. Großputz in der Unterkunft, nach und nach reisen Verwandte an. Freitag Abend sind alle Zimmer in marokkanischer Hand, wir fühlen uns als Fremdkörper.
Samstag Nachmittag liegen zahlreiche Männer im Zelt auf Kissen, palavern. Belaid lädt uns erneut zur Hochzeit ein, schürt Hoffnungen, die nie erfüllt werden. Immerhin bekommen wir zweimal eine halbvolle Kanne mit lauwarmem Tee auf den Tisch - offensichtlich war er irgendwo übriggeblieben! Marokkanische Gastfreundschaft kennen wir anders. Dann fordert er uns auf, vor der Tür beim Schlachten der Kuh zuzusehen. Darauf verzichten wir lieber, beobachten aber, wie es dort voll und laut wird. Offensichtlich haben Marokkaner bei dieser Situation weniger Berührungsängste, als wir. Der Abend plätschert dahin, es passiert nichts Erwähnenswertes.
Sonntag werden plötzlich Stühle und Tische im Zelt aufgebaut, die Stühle hübsch mit lilafarben Überzügen. Außerdem treffen verschiedene Musiker ein. Auch weitere zahlende Gäste aus Holland und der Schweiz sind heute gekommen. Für sie wurden in Windeseile Zimmer hergerichtet.
Wir sitzen nachmittags im überdachten Frühstückszelt, arbeiten am Computer. Draußen ertönt der nachmittägliche Ruf zum Gebet und plötzlich wird das Zelt geflutet von reichlich 15 Männern in weißen Gewändern. Hastig schieben sie Tische beiseite, wir werden von den im Weg stehenden Stühlen eingebaut. Dann reißen sie Tischdecken von den Tischen, breiten sie als Gebetsunterlage auf dem Fußboden aus und beginnen lautstark zu beten. Etwas hilflos stehen die anderen Gäste im Hof, wir versuchen, weiterzuarbeiten. Kaum ist das Gebet beendet, verschwinden die Männer, ein Chaos hinterlassend.
Eine Gnaua- Band sammelt sich im Hof, bereitet sich auf ihren Auftritt vor. Wir ziehen es vor, duschen zu gehen - plötzlich gibt es heißes Wasser... und suchen uns in Zagora ein Restaurant, um Abendbrot zu essen. Bei unserer Rückkehr ist das Zelt gut gefüllt, die Männer sitzen beieinander, plaudern oder lauschen der lautstarken Musik einer Band. Frauen, geschweige denn die Bräute sind weit und breit nicht zu sehen.
Montag im Laufe des Tages ändert sich das Bild. Erneut muss ein Tier dran glauben, eine Ziege wird geschlachtet. Die Stühle im Zelt bekommen eine neue Dekoration, diesmal sind die Überzüge weiß. Es laufen mehr Frauen, als Männer im Hof umher. Egal, wir verstehen zu wenig von all dem, ziehen wieder los und kehren erst mit Einbruch der Dunkelheit bereits gesättigt in die Unterkunft zurück.
Jetzt staunen wir: zahlreiche festlich gekleidete und sorgfältig gestylte Frauen sitzen erwartungsvoll an den Tischen. Weitere strömen in Gruppen herbei. Es ist 19.30Uhr und nichts weiter passiert. Wir gehen wieder heiß duschen, unterhalten uns im Frühstückszelt mit anderen Gästen. Alle sind gespannt auf die Bräute, aber keiner weiß, wie es weiter geht. Gegen 22.30 Uhr entscheidet sich Andreas, die Nachtruhe einzuläuten, ich will noch ein bisschen warten. Einige der Ladies schauten bereits etwas genervt in die Gegend, schließlich warteten sie bereits etliche Stunden und außer einigen Flaschen Wasser steht nichts auf den weiß gedeckten Tischen.
Irgendwann ertönt lauts Hupen, ein geschmücktes Auto bahnt sich, begleitet von Trommelklängen, den Weg bis vor das Zelt. Die zwei gequält lächelnden Bräute zwängen sich aus dem Auto, eng umringt von zahlreichen Fotografen. Dann werden sie langsam durch das Zelt geführt, jede mit einer Begleiterin, die offenbar verantwortlich für deren Kleiderordnung ist. Ständigt zupfen sie den Schleier zurecht, richten die Kronen auf dem Kopf, korrigieren die Handhaltung der armen Mädels. Endlich erreichen diese ein Podest mit zwei goldenen Stühlen, auf denen sie Platz nehmen und sich bewundern lassen.
Ich habe genug gesehen, verziehen mich ins Zimmer und lege mich ins Bett, ein Buch griffbereit neben mir. Bei der Lautstärke der Musik ist an Nachtruhe kaum zu denken... Wir fallen in einen unruhigen Schlaf bis wir unsanft durch lautes Klopfen an der Tür munter werden. Es ist 5.30 Uhr, das Fest neigt sich vermutlich dem Ende zu, die Verabschiedung steht bevor. Aber noch eine weitere Stunde lang schallt die Musik, dann endlich wird es ruhiger. Wir stehen um 9 Uhr gerädert auf, um für unsere bevorstehende Abreise zu packen. Beim Blick ins Frühstückszelt vergeht uns der Appetit. Auf allen Tischen häufen sich Knochenreste, Brotkanten, Coucouskrümel und Obstreste. Offensichtlich haben die Männer hier die Reste des Hochzeitsmahls verschlungen. Wir entscheiden uns für ein Frühstück im Ort, bezahlen die Unterkunft und verlassen fluchtartig diesen wenig gastlichen Ort.
Sollen die Marokkaner Hochzeit feiern, wie es ihnen gefällt, aber hätte nicht wenigstens die Unterkunft in dieser Zeit auf Gäste verzichten können, wenn man sich so wenig um deren Wohlergehen kümmert? Mit dieser Meinung waren wir keineswegs die einzigen Gäste! Auch die Lust aufs Fotografieren ist uns in diesem Ambiente verloren gegangen, daher ist der Beitrag ohne Anschauungsmaterial!
Telefonisch buchen wir aus Rissani eine Unterkunft für eine Woche in Zagora. Anreise und Empfang laufen ganz unkompliziert. Es ist eine einfache Unterkunft, aber viel mehr als Betten zum Schlafen und eine Dusche brauchen wir kaum. Dass nur kaltes Wasser aus der Leitung fließt, stört uns bei der Außentemperatur von 30°C nicht, die eine komplett durchgelegene Matratze lasse ich nach einer Nacht auf Sprungfedern doch auswechseln...
Am Mittwoch verkündet uns Belaid, Inhaber der Unterkunft, dass hier in den nächsten Tagen eine Doppelhochzeit seiner Zwillingstöchter stattfinden wird. Wir sind gespannt.
Donnerstag und Freitag werden im Hof Zelte aufgebaut, kein Platz mehr für Autos. Großputz in der Unterkunft, nach und nach reisen Verwandte an. Freitag Abend sind alle Zimmer in marokkanischer Hand, wir fühlen uns als Fremdkörper.
Samstag Nachmittag liegen zahlreiche Männer im Zelt auf Kissen, palavern. Belaid lädt uns erneut zur Hochzeit ein, schürt Hoffnungen, die nie erfüllt werden. Immerhin bekommen wir zweimal eine halbvolle Kanne mit lauwarmem Tee auf den Tisch - offensichtlich war er irgendwo übriggeblieben! Marokkanische Gastfreundschaft kennen wir anders. Dann fordert er uns auf, vor der Tür beim Schlachten der Kuh zuzusehen. Darauf verzichten wir lieber, beobachten aber, wie es dort voll und laut wird. Offensichtlich haben Marokkaner bei dieser Situation weniger Berührungsängste, als wir. Der Abend plätschert dahin, es passiert nichts Erwähnenswertes.
Sonntag werden plötzlich Stühle und Tische im Zelt aufgebaut, die Stühle hübsch mit lilafarben Überzügen. Außerdem treffen verschiedene Musiker ein. Auch weitere zahlende Gäste aus Holland und der Schweiz sind heute gekommen. Für sie wurden in Windeseile Zimmer hergerichtet.
Wir sitzen nachmittags im überdachten Frühstückszelt, arbeiten am Computer. Draußen ertönt der nachmittägliche Ruf zum Gebet und plötzlich wird das Zelt geflutet von reichlich 15 Männern in weißen Gewändern. Hastig schieben sie Tische beiseite, wir werden von den im Weg stehenden Stühlen eingebaut. Dann reißen sie Tischdecken von den Tischen, breiten sie als Gebetsunterlage auf dem Fußboden aus und beginnen lautstark zu beten. Etwas hilflos stehen die anderen Gäste im Hof, wir versuchen, weiterzuarbeiten. Kaum ist das Gebet beendet, verschwinden die Männer, ein Chaos hinterlassend.
Eine Gnaua- Band sammelt sich im Hof, bereitet sich auf ihren Auftritt vor. Wir ziehen es vor, duschen zu gehen - plötzlich gibt es heißes Wasser... und suchen uns in Zagora ein Restaurant, um Abendbrot zu essen. Bei unserer Rückkehr ist das Zelt gut gefüllt, die Männer sitzen beieinander, plaudern oder lauschen der lautstarken Musik einer Band. Frauen, geschweige denn die Bräute sind weit und breit nicht zu sehen.
Montag im Laufe des Tages ändert sich das Bild. Erneut muss ein Tier dran glauben, eine Ziege wird geschlachtet. Die Stühle im Zelt bekommen eine neue Dekoration, diesmal sind die Überzüge weiß. Es laufen mehr Frauen, als Männer im Hof umher. Egal, wir verstehen zu wenig von all dem, ziehen wieder los und kehren erst mit Einbruch der Dunkelheit bereits gesättigt in die Unterkunft zurück.
Jetzt staunen wir: zahlreiche festlich gekleidete und sorgfältig gestylte Frauen sitzen erwartungsvoll an den Tischen. Weitere strömen in Gruppen herbei. Es ist 19.30Uhr und nichts weiter passiert. Wir gehen wieder heiß duschen, unterhalten uns im Frühstückszelt mit anderen Gästen. Alle sind gespannt auf die Bräute, aber keiner weiß, wie es weiter geht. Gegen 22.30 Uhr entscheidet sich Andreas, die Nachtruhe einzuläuten, ich will noch ein bisschen warten. Einige der Ladies schauten bereits etwas genervt in die Gegend, schließlich warteten sie bereits etliche Stunden und außer einigen Flaschen Wasser steht nichts auf den weiß gedeckten Tischen.
Irgendwann ertönt lauts Hupen, ein geschmücktes Auto bahnt sich, begleitet von Trommelklängen, den Weg bis vor das Zelt. Die zwei gequält lächelnden Bräute zwängen sich aus dem Auto, eng umringt von zahlreichen Fotografen. Dann werden sie langsam durch das Zelt geführt, jede mit einer Begleiterin, die offenbar verantwortlich für deren Kleiderordnung ist. Ständigt zupfen sie den Schleier zurecht, richten die Kronen auf dem Kopf, korrigieren die Handhaltung der armen Mädels. Endlich erreichen diese ein Podest mit zwei goldenen Stühlen, auf denen sie Platz nehmen und sich bewundern lassen.
Ich habe genug gesehen, verziehen mich ins Zimmer und lege mich ins Bett, ein Buch griffbereit neben mir. Bei der Lautstärke der Musik ist an Nachtruhe kaum zu denken... Wir fallen in einen unruhigen Schlaf bis wir unsanft durch lautes Klopfen an der Tür munter werden. Es ist 5.30 Uhr, das Fest neigt sich vermutlich dem Ende zu, die Verabschiedung steht bevor. Aber noch eine weitere Stunde lang schallt die Musik, dann endlich wird es ruhiger. Wir stehen um 9 Uhr gerädert auf, um für unsere bevorstehende Abreise zu packen. Beim Blick ins Frühstückszelt vergeht uns der Appetit. Auf allen Tischen häufen sich Knochenreste, Brotkanten, Coucouskrümel und Obstreste. Offensichtlich haben die Männer hier die Reste des Hochzeitsmahls verschlungen. Wir entscheiden uns für ein Frühstück im Ort, bezahlen die Unterkunft und verlassen fluchtartig diesen wenig gastlichen Ort.
Sollen die Marokkaner Hochzeit feiern, wie es ihnen gefällt, aber hätte nicht wenigstens die Unterkunft in dieser Zeit auf Gäste verzichten können, wenn man sich so wenig um deren Wohlergehen kümmert? Mit dieser Meinung waren wir keineswegs die einzigen Gäste! Auch die Lust aufs Fotografieren ist uns in diesem Ambiente verloren gegangen, daher ist der Beitrag ohne Anschauungsmaterial!
Barbara & Andreas
marokko-erfahren.de
marokko-erfahren ist eine unabhängige europaweite Privatinitiative zur Förderung von Beschäftigung und Kulturerhalt.
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