Marokko-Erfahren erneut auf Entdeckungsreise in Marokko
Drei Besuche, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten...

Es ist windig, wohl eher stürmisch, der Sommer scheint uns in Taznakht verlassen zu haben. Daran müssen wir uns nach über zwei Monaten teilweise extremer Wärme erst einmal gewöhnen.
Ziele, die wir direkt mit dem Auto ansteuern können, kommen uns da gelegen. So fahren wir von Taznakht ca. 25 km Richtung Taliouine, um dann nach links abzubiegen. Bereits nach einigen Kilometern sehen wir links der Straße ein Dorf, an dessen Rand ein mächtiger Speicher liegt, Igherm n'Ti n'Yirg. Neben dem Fußballplatz parken wir, erstaunt, dass uns die kickende Kinderschar nicht umgehend folgt. Der Speicher ist verriegelt, aber offensichtlich nicht verschlossen. Ich wackle am massiven Holzriegel, mag ihn aber nicht gewaltsam zur Seite schieben. Die Kinder unterbrechen nun doch ihr Spiel. Fremde im Dorf sind natürlich interessanter, sie folgen uns zum Speicher. Als sie unsere Absicht erkennen, versucht der Älteste sich selber am Riegel, verdonnert dann den Kleinsten, sich rechts der Tür in einen Spalt zu zwängen, um von innen zu öffnen. Plötzlich gibt der Riegel nach, verblüfft weichen die Kinder zur Seite, lassen uns eintreten. Hinter uns hören wir ehrfurchtsvolles Gemurmel: bismillah! Keiner traut sich weiter. Während wir durch den leider recht desolaten Speicher wandern, Kammern zählen, gesellt sich ein junger Mann zu uns, der offensichtlich etwas französisch spricht. Freundlich begrüßt er uns, beobachtet unser Tun. Auch die Kinder wagen sich langsam ins Innere.

   
Es hat sich auf 20°C abgekühlt, offenbar Grund genug, Wollmützen und Handschuhe zu tragen...

Als wir wieder Richtung Ausgang schlendern, nimmt der junge Mann einen Stock in die Hand und scheucht die Kinderschar freundlich aber bestimmt vor die Tür. Als er sie verschlossen hat, gebe ich ihm einen Geldschein mit der Bitte, für die Kinder etwas Süßes zu besorgen. Er nimmt den Schein dankend entgegen, wedelt ihn in der Hand und rennt plötzlich los über das Feld Richtung Dorf. Jubelnd folgen alle Kinder. Zum Spaß dreht er noch eine Runde auf dem Feld. Aber die Kinder lassen sich nicht täuschen, warten, bis auch er wieder die richtige Richtung einschlägt. So schnell hat uns eine Horde Kinder noch nie verlassen!
Wir streifen noch etwas in der Umgebung herum, genießen den Ausblick über die im klaren Licht liegende Ebene vor dem Speicher. Noch ehe wir das Auto erreicht haben, kommen zwei der Kinder zurück. Jeder mit einem Päckchen Kaugummi in der Hand, die sie uns freudestrahlend anbieten. Wir lehnen gerührt ab - wollten die Kinder sich doch auf ihre Weise für das ihnen zuteil gewordene Geschenk bedanken. Erleichtert verschwinden die Päckchen in ihren Hosentaschen und sie ziehen von dannen.

Zuversichtlich fahren wir zurück zur N 10, um im nahe der Straße gelegenen Dorf Kourkouda einen weiteren Speicher zu suchen. Im alten Dorf machen wir ihn am Rand aus, finden nur keinen Zugang. Da kommt es uns gelegen, dass gerade die Gebetszeit in der Moschee zu Ende ist, zahlreiche Männer strömen heraus. Wir fragen einen um Rat, sofort winkt er uns, ihm zu folgen und führt uns zum Eingang. Vorbei an der halb verbrannten Eingangspforte gelangen wir hinein. Im Inneren tummeln sich etliche Jugendliche, ziehen sich zwar etwas zurück, beobachten uns aber genau. Während wir durch die Trümmer stolpern, erklärt uns unser Begleiter, dass sich hier die Jugendlichen austoben, vieles mutwillig zerschlagen und gern Feuer legen. Die Spuren an der Eingangstür gehen auch auf ihr Konto. Dann zeigt er uns eine Kammer, die noch immer im Besitz seiner Familie ist. Er weicht uns nicht von der Seite, wir sind sehr dankbar darüber, mögen uns nicht ausmalen, wie unser Besuch ohne seine Begleitung ausgefallen wäre. Unsere Frage, ob die Shibanis - die Dorfältesten hier keinen Einfluss haben, verneint er, bedauernd mit den Schultern zuckend. Erst als er uns einen sicheren Weg zurück zum Auto gezeigt hat, verabschiedet er sich.
Im Auto unterhalten wir uns über das touristische Potential dieses Speichers an einer viel befahrenen Strecke, wäre er in vorzeigbarem Zustand.  Da hat uns das Erlebnis im Ighermn'Ti n'Yirg deutlich besser gefallen.

Wir fahren Richtung Taznakht zurück, biegen aber noch nach links auf eine Piste ab. Nach ca. 6 km erkennen wir Igherm N'oufla, nahezu unerreichbar auf einem Felsgipfel gelegen. Wir verzichten auf die Besteigung, Andreas hat noch einen Speicher im Ort Igoujgalene entdeckt. Er steht offen, vieles ist leider bereits eingestürzt, einige Kammern werden aber noch genutzt. Wir genießen es, ganz allein herumsteigen und fotografieren zu können. Obwohl Dorfbewohner und auch Kinder unsere Ankunft beobachtet haben, lässt man uns in Ruhe. Auf dem Rückweg wandern wir noch durch das alte Dorf. Ein Mann dichtet vorsorglich sein Dach mit einer Plane ab, falls es regnet. Er sieht uns, begrüßt uns überschwänglich und lädt uns sofort zum Tee ein. Wir bedanken uns freundlich, bedeuten ihm aber, dass wir weiter wollen. Hier findet man noch ehrliche Gastfreundschaft. Igoujgalene werden wir nicht nur deshalb in guter Erinnerung behalten, wir haben das Gefühl, ein absolut friedliches Dorf kennengelernt zu haben.
Barbara & Andreas
marokko-erfahren.de
marokko-erfahren ist eine unabhängige europaweite Privatinitiative zur Förderung von Beschäftigung und Kulturerhalt.
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RE: Marokko-Erfahren erneut auf Entdeckungsreise in Marokko - von marokko erfahren - 22.10.2023, 21:39

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