15.11.2023, 10:33
Kulturschock zum Abschied
Von Tafraoute reisen wir nach Taroudant. Für die 140 km brauchen wir natürlich einen ganzen Tag, es liegt ja so viel Sehenswertes an der Strecke, wo wir nicht so einfach vorbeirauschen können. Wir wählen die R 106, ein Fotostopp an dem einen oder anderen Agadir muss schon sein. Nur mit Mühe gelingt es Andreas, mich von Besichtigungen abzuhalten...
Dann biegen wir auf die P 1723 ab, genießen einen Fernblick auf Tasguent und steuern Agadir Toumliline an. Bereits im Jahr 2015 versuchten wir hineinzukommen, fanden aber niemanden, der den Speicher aufschloss. Heute geben wir uns mehr Mühe, fragen in den beiden Nachbardörfern und finden schließlich einen hilfsbereiten Mann, der uns mit Schlüssel begleitet. Leider passt der Schlüssel nicht, er bedeutet uns, zu warten und geht allein auf Suche. Nach geraumer Zeit kommt er zurück, schließt auf, bittet uns aber, noch vor der Tür zu warten. Das haben wir noch nie erlebt, gehorchen aber selbstverständlich. Etwas später kommt eine alte Frau mühsam auf einen Stock gestützt und begrüßt uns freundlich. Offensichtlich der Amin, hier aber eine weibliche Wächterin. Ihr folgen wir in den leider recht verfallenen Speicher, der aber aufgrund des Inhalts zahlreicher Kammern noch seinen Charme behalten hat. Unzählige Krüge, Körbe, Holzkisten und auf Holz geschriebene Dokumente liegen in den offenen Kammern.
Eine weitere Frau ist mittlerweile dazu gekommen, wir hören lautstarke Gespräche und offensichtlich die gleiche Freude an den Funden, die auch wir spüren. Zum Abschluss werden wir noch eine Runde um den Speicher geführt, dann verabschieden wir uns von der freundlichen Frau und unserem Helfer mit dem dazugehörigen finanziellen Dankeschön.
In Toufelaazt überkommt uns der Hunger, wir lassen uns Omelette und Tee schmecken, bevor wir auch hier noch zum Speicher hochsteigen. Ein ovaler Bau mit 44 Kammern thront über dem alten Dorf. Erstaunlicherweise sind 4 Kammern von außen zugänglich, auch eine Besonderheit, die wir noch nie gesehen haben. Alles in allem ist der Zustand des verlassenen Speichers jedoch eher traurig.
Mittlerweile ist später Nachmittag und uns wird bewusst, dass wir in die Dunkelheit hinein fahren werden. Keine Pause mehr, bis wir erleichtert bei Yves in Taroudant vor dem Riad Dar Dzahra unser Auto abstellen. Wir streben eine uns bekannte Gaststätte in der Nähe an, um zu essen. Fast entsetzt beobachten wir den Trubel auf der Straße: Fußgänger, Rad- und Mopedfahrer, Autos, Pferdekutschen und Eselskarren schieben sich mit der entsprechenden Lautstärke aneinander vorbei. An Marktständen wird Ware angepriesen, im Hintergrund verfolgen und kommentieren Marokkaner beim Tee ein Fußballspiel im Fernsehen. Uns summen die Ohren, fast sehnen wir uns nach so manch einer dörflichen Ruhe zurück.
Am nächsten Morgen sieht die Welt schon wieder etwas anders aus, wir stürzen uns in den Trubel, kaufen Gewürze ein, trinken Tee, Andreas lässt sich die Haare schneiden, ich entdecke Berge meiner Lieblingssüßigkeit Chebakia. Freunde aus Massa besuchen uns, wir verbringen eine angenehme Zeit miteinander, die uns den bevorstehenden Abschied vorübergehend vergessen lässt.
Während wir unser Auto am vorletzten Tag in fachkundige Hände zur dringend notwendigen Generalreinigung geben, lassen wir die vergangenen Wochen Revue passieren. Aït Ourir im Ourikatal, Skoura mit vielen Lehmruinen und teils sehr aggressiven Geldforderungen von Kindern, die gemütliche Unterkunft in Oulad Othmane, in der wir das Erdbeben erlebten, aber auch mit vielen anstrengenden und spannenden Wanderungen zu Gravuren. Über Agdz mit Lehmbauexkurs führte die Tour nach N‘Kob in die uns völlig neue Region des Jbel Sarhro. Bei Errachidia hat das ehemalige Foltergefängnis Tazmamarte tiefe Spuren hinterlassen, dann die Fahrt nach Bouarfa, Weiterreise nach Oujda im marokkanischen Überlandbus, am nächsten Tag die legendäre Zugfahrt im "Train du desert". Weiterreise von Bouarfa über Rissani nach Zagora, in die einzige Unterkunft, in der wir uns beide nicht sehr wohl fühlten und auch wenig spektakuläre Ziele besuchten. In der Teppichstadt Taznakht ging es uns deutlich besser, bis uns das kalte Wetter Richtung Süden trieb mit Tata als Zwischenstopp und einem längeren Aufenthalt in Icht. Dort begaben wir uns in die algerische Grenzregion, um uns in Tanzida ca. 70 Jahre in die Vergangenheit zu träumen, als hier noch Suchus (westafrikanische Krokodile) lebten.
Zum Ende unserer Reise folgten wir dem Tizi-Test nach Marrakech. Unglaublich, wie schnell dieser durch das Erdbeben teilweise vollkommen verschüttete Pass wieder befahrbar gemacht wurde. Man braucht Zeit, kommt aber durch. Viele Zeltdörfer sind neben kaputten Orten errichtet. Was uns aber sehr still werden lässt, ist der Anblick zahlreicher Orte nach der Passhöhe in Richtung Marrakech. Fassungslos blicken wir von oben auf die Reste von Tin Mal, rollen durch Dörfer, die nur noch aus Trümmern bestehen. Trotzdem gehen die Marokkaner ihren alltäglichen Beschäftigungen nach, als sei nichts gewesen. Eine bewundernswerte Haltung!
Diese abschließenden Eindrücke lassen uns in der letzten - eh schon kurzen Nacht kaum zur Ruhe kommen. Am 12. November früh um 6 Uhr verlassen wir Marokko, gruseln uns vor den 6° C, die uns zu Hause erwarten und beginnen bereits jetzt, vom nächsten Aufenthalt zu träumen.
Von Tafraoute reisen wir nach Taroudant. Für die 140 km brauchen wir natürlich einen ganzen Tag, es liegt ja so viel Sehenswertes an der Strecke, wo wir nicht so einfach vorbeirauschen können. Wir wählen die R 106, ein Fotostopp an dem einen oder anderen Agadir muss schon sein. Nur mit Mühe gelingt es Andreas, mich von Besichtigungen abzuhalten...
Dann biegen wir auf die P 1723 ab, genießen einen Fernblick auf Tasguent und steuern Agadir Toumliline an. Bereits im Jahr 2015 versuchten wir hineinzukommen, fanden aber niemanden, der den Speicher aufschloss. Heute geben wir uns mehr Mühe, fragen in den beiden Nachbardörfern und finden schließlich einen hilfsbereiten Mann, der uns mit Schlüssel begleitet. Leider passt der Schlüssel nicht, er bedeutet uns, zu warten und geht allein auf Suche. Nach geraumer Zeit kommt er zurück, schließt auf, bittet uns aber, noch vor der Tür zu warten. Das haben wir noch nie erlebt, gehorchen aber selbstverständlich. Etwas später kommt eine alte Frau mühsam auf einen Stock gestützt und begrüßt uns freundlich. Offensichtlich der Amin, hier aber eine weibliche Wächterin. Ihr folgen wir in den leider recht verfallenen Speicher, der aber aufgrund des Inhalts zahlreicher Kammern noch seinen Charme behalten hat. Unzählige Krüge, Körbe, Holzkisten und auf Holz geschriebene Dokumente liegen in den offenen Kammern.
Eine weitere Frau ist mittlerweile dazu gekommen, wir hören lautstarke Gespräche und offensichtlich die gleiche Freude an den Funden, die auch wir spüren. Zum Abschluss werden wir noch eine Runde um den Speicher geführt, dann verabschieden wir uns von der freundlichen Frau und unserem Helfer mit dem dazugehörigen finanziellen Dankeschön.
In Toufelaazt überkommt uns der Hunger, wir lassen uns Omelette und Tee schmecken, bevor wir auch hier noch zum Speicher hochsteigen. Ein ovaler Bau mit 44 Kammern thront über dem alten Dorf. Erstaunlicherweise sind 4 Kammern von außen zugänglich, auch eine Besonderheit, die wir noch nie gesehen haben. Alles in allem ist der Zustand des verlassenen Speichers jedoch eher traurig.
Mittlerweile ist später Nachmittag und uns wird bewusst, dass wir in die Dunkelheit hinein fahren werden. Keine Pause mehr, bis wir erleichtert bei Yves in Taroudant vor dem Riad Dar Dzahra unser Auto abstellen. Wir streben eine uns bekannte Gaststätte in der Nähe an, um zu essen. Fast entsetzt beobachten wir den Trubel auf der Straße: Fußgänger, Rad- und Mopedfahrer, Autos, Pferdekutschen und Eselskarren schieben sich mit der entsprechenden Lautstärke aneinander vorbei. An Marktständen wird Ware angepriesen, im Hintergrund verfolgen und kommentieren Marokkaner beim Tee ein Fußballspiel im Fernsehen. Uns summen die Ohren, fast sehnen wir uns nach so manch einer dörflichen Ruhe zurück.
Am nächsten Morgen sieht die Welt schon wieder etwas anders aus, wir stürzen uns in den Trubel, kaufen Gewürze ein, trinken Tee, Andreas lässt sich die Haare schneiden, ich entdecke Berge meiner Lieblingssüßigkeit Chebakia. Freunde aus Massa besuchen uns, wir verbringen eine angenehme Zeit miteinander, die uns den bevorstehenden Abschied vorübergehend vergessen lässt.
Während wir unser Auto am vorletzten Tag in fachkundige Hände zur dringend notwendigen Generalreinigung geben, lassen wir die vergangenen Wochen Revue passieren. Aït Ourir im Ourikatal, Skoura mit vielen Lehmruinen und teils sehr aggressiven Geldforderungen von Kindern, die gemütliche Unterkunft in Oulad Othmane, in der wir das Erdbeben erlebten, aber auch mit vielen anstrengenden und spannenden Wanderungen zu Gravuren. Über Agdz mit Lehmbauexkurs führte die Tour nach N‘Kob in die uns völlig neue Region des Jbel Sarhro. Bei Errachidia hat das ehemalige Foltergefängnis Tazmamarte tiefe Spuren hinterlassen, dann die Fahrt nach Bouarfa, Weiterreise nach Oujda im marokkanischen Überlandbus, am nächsten Tag die legendäre Zugfahrt im "Train du desert". Weiterreise von Bouarfa über Rissani nach Zagora, in die einzige Unterkunft, in der wir uns beide nicht sehr wohl fühlten und auch wenig spektakuläre Ziele besuchten. In der Teppichstadt Taznakht ging es uns deutlich besser, bis uns das kalte Wetter Richtung Süden trieb mit Tata als Zwischenstopp und einem längeren Aufenthalt in Icht. Dort begaben wir uns in die algerische Grenzregion, um uns in Tanzida ca. 70 Jahre in die Vergangenheit zu träumen, als hier noch Suchus (westafrikanische Krokodile) lebten.
Zum Ende unserer Reise folgten wir dem Tizi-Test nach Marrakech. Unglaublich, wie schnell dieser durch das Erdbeben teilweise vollkommen verschüttete Pass wieder befahrbar gemacht wurde. Man braucht Zeit, kommt aber durch. Viele Zeltdörfer sind neben kaputten Orten errichtet. Was uns aber sehr still werden lässt, ist der Anblick zahlreicher Orte nach der Passhöhe in Richtung Marrakech. Fassungslos blicken wir von oben auf die Reste von Tin Mal, rollen durch Dörfer, die nur noch aus Trümmern bestehen. Trotzdem gehen die Marokkaner ihren alltäglichen Beschäftigungen nach, als sei nichts gewesen. Eine bewundernswerte Haltung!
Diese abschließenden Eindrücke lassen uns in der letzten - eh schon kurzen Nacht kaum zur Ruhe kommen. Am 12. November früh um 6 Uhr verlassen wir Marokko, gruseln uns vor den 6° C, die uns zu Hause erwarten und beginnen bereits jetzt, vom nächsten Aufenthalt zu träumen.
Barbara & Andreas
marokko-erfahren.de
marokko-erfahren ist eine unabhängige europaweite Privatinitiative zur Förderung von Beschäftigung und Kulturerhalt.
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