10.11.2024, 21:31
Ghartoum
Ein kleines Dorf im Anti-Atlas interessiert uns, dort soll es Gravuren geben. Kurz entschlossen fahren wir in die Richtung, laufen aber die letzten drei Kilometer lieber zu Fuß, da die Piste einen wenig befahrenen Eindruck macht...
Herrliche Wanderung, als das Dorf in Sichtweite kommt, überholt uns ein LKW. Also doch keine so unbefahrene Strecke! Schnell erkennen wir, dass auch dieses Dorf einen Speicher hat. Wir umrunden ihn einmal und stellen fest, dass der Eingang verschlossen ist. Also gilt es, jemanden mit dem entsprechenden Schlüssel aufzutreiben. Da kommt es uns gelegen, dass auf dem Dorfplatz rege Geschäftigkeit herrscht, etwa 10 bunt gekleidete Frauen sitzen beieinander, putzen und schneiden Gemüse, im Hintergrund dampfen mehrere Couscous-Töpfe auf dem Feuer. Weitere Frauen schaffen Brennmaterial herbei.
Wir werden neugierig-freundlich begrüßt. Auf unsere Frage "Agadir?" verbunden mit der entsprechenden Geste des Aufschließens erhebt sich eine Frau. Sie bedeutet uns, wir möchten warten. Eine weitere stellt sich neben uns, erzählt viel und wir können nur "Taschelhit" (Berberdialekt der Region) verstehen. Kinder kommen herbeigelaufen, einige junge Männer schlappen heran. Im Nu sind wir von reichlich 20 Menschen umringt, aber niemand spricht oder versteht Französisch.
Irgendwann nähert sich fast schüchtern ein junger Mann, spricht uns auf Französisch an und stellt sich als Lehrer des Dorfes vor. Wir einigen uns auf eine Mischung aus Englisch und französisch, da er von beiden Sprachen etwas versteht. Ich rufe zur besseren Verständigung Hakim in Taliouine an, der uns jederzeit Hilfe angeboten hat und schildere ihm die Situation. Dann reiche ich das Telefon an Mohamed weiter und die beiden Männer reden miteinander. Als ich das Telefon zurückbekomme, weiß Mohamed, dass wir den Speicher von innen ansehen möchten und außerdem die Gravuren im Ort suchen.
Nun dauert es nicht mehr lange und ein Mann mit Schlüssel taucht auf, wir betreten den Speicher, der hier einst vermutlich zu einer Kombination aus Wohnungen und Speicher umgebaut wurde. Anders können wir uns die drei(!) Eingänge in das Gebäude und die teilweise recht großen Räume nicht erklären.
Als wir uns genug umgesehen, werden wir vom Schlüsselinhaber zum Tee eingeladen. Wenn es bloß dabei bleiben würde... Mit Mohamed werden wir in den Salon gebeten, nehmen auf einem Teppich Platz und lehnen uns an gemütliche Kissen. Es ist angenehm kühl im Raum. Immer wieder verblüfft es uns, wie die Marokkaner in Windeseile in der Lage sind, völlig unerwartete Gäste zu bewirten. Neben Tee kommt ein großer Teller mit Datteln und Mandeln auf den Tisch. Kurze Zeit später bringt ein Junge einen Korb mit dampfend heißen, frischen Fladenbroten, stellt selbst gemachte Butter und Olivenöl dazu und verlässt den Raum wieder. Auf einem weiteren Tisch steht bereits eine Tajine...
Wir genießen das Fladenbrot und den Tee dazu. Als wir uns erheben wollen, wird die Tajine auf den Tisch gestellt, der Junge kommt mit einem Becken zum Hände waschen herein und wir werden erneut zum Essen aufgefordert. Es schmeckt! Als wir wirklich nicht mehr können, gibt Mohamed das Zeichen zum Aufbruch, wir bedanken und verabschieden uns.
Nun müssen wir ihn zu seiner Schule begleiten, eine große Schar seiner Schüler wartet bereits vor der Tür und wir wandern gemeinsam flussabwärts. Zu unserer großen Verblüffung unterhalten sich die Kinder im Flüsterton. Das ist neu für uns und liegt sicher an der Anwesenheit des Lehrers! Unterwegs erzählt uns Mohamed, dass er in der Assoziation des Dorfes insgesamt 55 Kinder verschiedener Altersstufen unterrichtet, die altersgemäß gestaffelt zum Unterricht kommen. Die winzige Schule besteht aus einem einzigen Raum, maximal 16 Kinder haben an den 8 Bänken Platz. Immer zwei Kinder müssen sich ein Arbeitsheft teilen, da die finanziellen Mittel der Assoziation für mehr nicht reichen.
Wie wir später von Hakim erfahren, ist eine Assoziation die Alternative für staatliche Schulen in abgelegenen Dörfern. Der Staat unterstützt den Lehrer geringfügig, die Assoziation erhält einmal pro Jahr Geld und die Eltern bekommen - wie überall im Land pro Jahr und Kind 200 DH für Verbrauchsmaterial wie Hefte und Stifte. Inspektoren kontrollieren in Abständen, ob der Unterricht auch tatsächlich stattfindet.
Im Anschluss an die Schulbesichtigung führt uns Mohamed weiter flussabwärts, um uns die Gravuren zu zeigen. Stolz laufen die Buben voraus, setzen sich auf einige große Steine und weisen auf die Gravuren. Ehrfurchtsvoll nehmen sie zur Kenntnis, dass diese vor mehreren tausend Jahren entstanden sind. Leider hält sie das nicht davon ab, daneben ihre eigenen Bilder in den Stein zu ritzen. Uns fehlen leider die Sprachkenntnisse, um zu verdeutlichen, dass die Gravuren zu schützen sind.
Bei der Rückkehr ins Dorf erklärt uns Mohamed, die fleißigen Frauen auf dem Dorfplatz erwarten uns zum Couscous-Essen. Fast entsetzt schauen wir ihn an, bedanken uns sehr für die Einladung, sind aber leider nicht in der Lage, NOCH mehr zu essen... Tief beeindruckt von der Offenheit und Gastfreundschaft verabschieden wir uns, übergeben Mohamed noch eine finanzielle Unterstützung für sein engagiertes Projekt und erfahren, dass wir die ersten Touristen waren, die Ghartoum jemals besucht haben. Hoffentlich ändert sich das eines Tages, das sehenswerte Dorf in der herrlichen Umgebung hat es wirklich verdient.
Ein kleines Dorf im Anti-Atlas interessiert uns, dort soll es Gravuren geben. Kurz entschlossen fahren wir in die Richtung, laufen aber die letzten drei Kilometer lieber zu Fuß, da die Piste einen wenig befahrenen Eindruck macht...
Herrliche Wanderung, als das Dorf in Sichtweite kommt, überholt uns ein LKW. Also doch keine so unbefahrene Strecke! Schnell erkennen wir, dass auch dieses Dorf einen Speicher hat. Wir umrunden ihn einmal und stellen fest, dass der Eingang verschlossen ist. Also gilt es, jemanden mit dem entsprechenden Schlüssel aufzutreiben. Da kommt es uns gelegen, dass auf dem Dorfplatz rege Geschäftigkeit herrscht, etwa 10 bunt gekleidete Frauen sitzen beieinander, putzen und schneiden Gemüse, im Hintergrund dampfen mehrere Couscous-Töpfe auf dem Feuer. Weitere Frauen schaffen Brennmaterial herbei.
Wir werden neugierig-freundlich begrüßt. Auf unsere Frage "Agadir?" verbunden mit der entsprechenden Geste des Aufschließens erhebt sich eine Frau. Sie bedeutet uns, wir möchten warten. Eine weitere stellt sich neben uns, erzählt viel und wir können nur "Taschelhit" (Berberdialekt der Region) verstehen. Kinder kommen herbeigelaufen, einige junge Männer schlappen heran. Im Nu sind wir von reichlich 20 Menschen umringt, aber niemand spricht oder versteht Französisch.
Irgendwann nähert sich fast schüchtern ein junger Mann, spricht uns auf Französisch an und stellt sich als Lehrer des Dorfes vor. Wir einigen uns auf eine Mischung aus Englisch und französisch, da er von beiden Sprachen etwas versteht. Ich rufe zur besseren Verständigung Hakim in Taliouine an, der uns jederzeit Hilfe angeboten hat und schildere ihm die Situation. Dann reiche ich das Telefon an Mohamed weiter und die beiden Männer reden miteinander. Als ich das Telefon zurückbekomme, weiß Mohamed, dass wir den Speicher von innen ansehen möchten und außerdem die Gravuren im Ort suchen.
Nun dauert es nicht mehr lange und ein Mann mit Schlüssel taucht auf, wir betreten den Speicher, der hier einst vermutlich zu einer Kombination aus Wohnungen und Speicher umgebaut wurde. Anders können wir uns die drei(!) Eingänge in das Gebäude und die teilweise recht großen Räume nicht erklären.
Als wir uns genug umgesehen, werden wir vom Schlüsselinhaber zum Tee eingeladen. Wenn es bloß dabei bleiben würde... Mit Mohamed werden wir in den Salon gebeten, nehmen auf einem Teppich Platz und lehnen uns an gemütliche Kissen. Es ist angenehm kühl im Raum. Immer wieder verblüfft es uns, wie die Marokkaner in Windeseile in der Lage sind, völlig unerwartete Gäste zu bewirten. Neben Tee kommt ein großer Teller mit Datteln und Mandeln auf den Tisch. Kurze Zeit später bringt ein Junge einen Korb mit dampfend heißen, frischen Fladenbroten, stellt selbst gemachte Butter und Olivenöl dazu und verlässt den Raum wieder. Auf einem weiteren Tisch steht bereits eine Tajine...
Wir genießen das Fladenbrot und den Tee dazu. Als wir uns erheben wollen, wird die Tajine auf den Tisch gestellt, der Junge kommt mit einem Becken zum Hände waschen herein und wir werden erneut zum Essen aufgefordert. Es schmeckt! Als wir wirklich nicht mehr können, gibt Mohamed das Zeichen zum Aufbruch, wir bedanken und verabschieden uns.
Nun müssen wir ihn zu seiner Schule begleiten, eine große Schar seiner Schüler wartet bereits vor der Tür und wir wandern gemeinsam flussabwärts. Zu unserer großen Verblüffung unterhalten sich die Kinder im Flüsterton. Das ist neu für uns und liegt sicher an der Anwesenheit des Lehrers! Unterwegs erzählt uns Mohamed, dass er in der Assoziation des Dorfes insgesamt 55 Kinder verschiedener Altersstufen unterrichtet, die altersgemäß gestaffelt zum Unterricht kommen. Die winzige Schule besteht aus einem einzigen Raum, maximal 16 Kinder haben an den 8 Bänken Platz. Immer zwei Kinder müssen sich ein Arbeitsheft teilen, da die finanziellen Mittel der Assoziation für mehr nicht reichen.
Wie wir später von Hakim erfahren, ist eine Assoziation die Alternative für staatliche Schulen in abgelegenen Dörfern. Der Staat unterstützt den Lehrer geringfügig, die Assoziation erhält einmal pro Jahr Geld und die Eltern bekommen - wie überall im Land pro Jahr und Kind 200 DH für Verbrauchsmaterial wie Hefte und Stifte. Inspektoren kontrollieren in Abständen, ob der Unterricht auch tatsächlich stattfindet.
Im Anschluss an die Schulbesichtigung führt uns Mohamed weiter flussabwärts, um uns die Gravuren zu zeigen. Stolz laufen die Buben voraus, setzen sich auf einige große Steine und weisen auf die Gravuren. Ehrfurchtsvoll nehmen sie zur Kenntnis, dass diese vor mehreren tausend Jahren entstanden sind. Leider hält sie das nicht davon ab, daneben ihre eigenen Bilder in den Stein zu ritzen. Uns fehlen leider die Sprachkenntnisse, um zu verdeutlichen, dass die Gravuren zu schützen sind.
Bei der Rückkehr ins Dorf erklärt uns Mohamed, die fleißigen Frauen auf dem Dorfplatz erwarten uns zum Couscous-Essen. Fast entsetzt schauen wir ihn an, bedanken uns sehr für die Einladung, sind aber leider nicht in der Lage, NOCH mehr zu essen... Tief beeindruckt von der Offenheit und Gastfreundschaft verabschieden wir uns, übergeben Mohamed noch eine finanzielle Unterstützung für sein engagiertes Projekt und erfahren, dass wir die ersten Touristen waren, die Ghartoum jemals besucht haben. Hoffentlich ändert sich das eines Tages, das sehenswerte Dorf in der herrlichen Umgebung hat es wirklich verdient.
Barbara & Andreas
marokko-erfahren.de
marokko-erfahren ist eine unabhängige europaweite Privatinitiative zur Förderung von Beschäftigung und Kulturerhalt.
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