Zwangskonvertierung
#5
Loose Sheets - A Timeless Story

Für meine kleine Schwester, die für mich eines der größten und wichtigsten Mysterien in meinem Leben ist.
Für denjenigen, der mir den Weg im Labyrinth dieses Cafes zeigte und einen Hammer schenkte, um Mauern einzureißen.


Heute möchte dir von der kleinen Kneipe an der Ecke links hinten im Kietz erzählen.
Ich weiß nicht genau, was sie eigentlich ist. Vielleicht ist es der Ort, an dem sich die Leute nach getaner Arbeit treffen. Oder ist der Ort, an dem einige Menschen ihre Geschäfte anbahnen. Auf keinen Fall ist es der Ort, an dem die Gäste nur Gäste sind, sie ihre Familien mitbringen oder das sind, was sie zu scheinen sein.

Mit Sicherheit ist dies ein sehr geheimnisvoller Ort, an dem die Stimmen vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger Zeiten im Raum wie lose Laken umherschwirren und Stück für Stück ihr Mysterium aufdecken, wenn du aufmerksam und bereit bist, ihnen zu lauschen.

Früher war ich gern hier, habe mit mehr oder weniger rätselhaften Gästen gesprochen, gescherzt und mich ausgetauscht. Wir haben nächtelang durchdiskutiert, sind Freunde auf Zeit oder für die Ewigkeit geworden, haben von einander gelernt und begriffen, was diese kleine Kneipe bedeutet.
Die Ewigkeit ist das weniger Geheimnisvolle geblieben. Du weißt, dass ich dich meine. Du bist eine ganz andere Geschichte. Du hast mit mir den Sprung in die Realität geschafft und wirst noch immer mein Herz, meine Seele und mein Leben berühren, wenn wir diese kleine Kneipe längst vergessen haben.

Viele, die sie interessant gemacht haben, sind längs aus dieser Kneipe verschwunden. Viele waren enttäuscht von dem immerwährenden Kampf, obwohl sie erwartet haben, aufgrund der bunten und herzlichen äußeren Erscheinung hier eine Heimstatt gefunden zu haben. Andere haben eine Familie gegründet und wie ich schon sagte, bringt man die niemals hierher. Einige sind einfach in andere Kneipen gewechselt.
Einige haben sie nicht aufgegeben, beobachten sie durch ihre großen Schaufenster, bereit, einzutreten, wenn das notwendig wird.

Ich erinnere mich an viele, diejenigen die gingen, bevor ich kam. Diejenigen, die gingen während ich da war. Und auch diejenigen, die nie gehen werden, weil sie die Anerkennung, die ihnen im Kietz verwehrt wird, brauchen, um sich bedeutend zu fühlen.

Selten noch komme ich, sitze hinten in der dunklen Ecke, warte auf diejenigen, die nicht zurückkommen werden, beobachte diejenigen, die diese Kneipe so uninteressant erscheinen lassen.
Siehst du diese kleine dickliche Frau, jammernd ob der Trostlosigkeit dieses Ortes? Erinnerst du dich, dass sie es in lustigen Zeiten war, die jammernd über die wilden Zeiten am selben Tisch saß, unzufrieden wie heute? Ihre Unzufriedenheit zu überspielen versucht, begrüßt sie jeden, der die Kneipe betritt, lobt jedes Laken, das an ihr vorbei schwebt, nicht merkend, dass sie kein einziges Wort wirklich begreift.

Siehst du diesen völlig überschätzten Mann, der jeden zu sich nach Hause einlädt, um seine Stimme zu erkaufen? Ich erinnere mich an Laken, die mir zuflüsterten, dass er in vergangenen Zeiten mit der erkauften Macht andere betrog. Auch in gegenwärtigen Zeiten verschickt er heimlich Laken andere diskreditierend, um weitere Macht zu erkaufen. Ich denke, er hat ein sehr schönes Heim, Reichtum zeigend, infolge der Armut anderer. Ich bin froh, es trotz vieler Einladungen nie betreten zu haben, um objektiv bleiben zu können.
Er ist einer dieser Menschen, die Guten und Böses im selben Augenblick tun können, um das Böse mit dem Guten zu entschuldigen. Weißt du, wie die Entschuldigung der Gräueltaten des Kolonialismus mit dem Bau der Straßen und Brücken, die kleinen Dörfer an die große weite Welt anbindend.

Ich erinnere mich an den einen, der sagte: "Gib mir keinen Fisch, lehre mich fischen." 
Echte, ehrlich Hilfe stellt keine Bedingungen. Sie erkennt, dass jeder Mensch, jede Nation seinen eigenen Weg gehend, seine eigenen Fehler machen darf. Nur in Abhängigkeit kann Macht wachsen. Unabhängigkeit befreit vor der Macht anderer.

Erinnerst du dich an die vielen Namenlosen, die kamen und gingen? Jeder Einzelne hat diese Kneipe erhellt oder verdunkelt, hat ihr Leben eingehaucht und sie belebt.
Siehst du die vielen anderen, die heimlich den Laken lauschen und Abwesenheit vortäuschen?

Ich weiß jetzt, was meine Kneipe ist. Sie ist ein offenes Buch für mich wie ein kleines marokkanisches Cafe irgendwo in den geheimnisvollen Tiefen des Landes, dass seine marokkanischen Gäste gegen Neobioeuros eingetauscht hat. Du und ich wissen, was sie war, wir sehen, was sie ist. Was sie mal sein wird? Es steht noch nicht geschrieben. Vielleicht werden noch ein paar interessante Laken folgen. Ich weiß nicht, ob ich bereit bin, den vielen begabten Lakenschreibern zu folgen oder noch eine Weile verharre. 

Ich weiß, dass meine Ruhe gekauft ist. Wie J. W. Goethe sagte: Niemand ist mehr Sklave, als der sich für frei hält, ohne es zu sein.
Ich werde meinen Kaufpreis zurückgeben.


Whatshername
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Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein, sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.
Johnann Wolfgang von Goethe
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Zwangskonvertierung - von whatshername61 - 26.07.2018, 20:52
RE: Zwangskonvertierung - von whatshername61 - 14.08.2018, 20:50
RE: Zwangskonvertierung - von whatshername61 - 30.11.2019, 15:02
RE: Zwangskonvertierung - von a1isha - 01.12.2019, 10:40
RE: Zwangskonvertierung - von whatshername61 - 28.12.2019, 19:44
RE: Zwangskonvertierung - von whatshername61 - 09.02.2020, 19:57

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