17.06.2022, 20:10
(17.06.2022, 15:49)Mike schrieb: Kollegen meiner Frau haben uns gestern in ein Restaurant in Rabat eingeladen. Wir haben uns recht angeregt über Wirtschaft, Politik u.ä. unterhalten. Da mischte sich ein Tischnachbar in die Diskussion ein, der ziemlich heftig über Deutschland herzog. Er bezeichnete die deutsche Politik als Neokolonialismus, man profitiere von in Marokko ausgebildeten Akademikern während man die einfachen Leute nicht ins Land ließe. Er hatte schon einige Gläser verinnerlicht so dass ihm die höfliche Zurückhaltung abhanden gekommen war. Dennoch habe ich Kritik in dieser Schärfe noch nie gehört. Entweder ist die deutsche Politik kaum bekannt oder wird positiv gesehen. Wie ist die Erfahrung hier im Forum?
Hallo Mike,
leider wird in meiner Umgebung in Marokko niemals über Politik diskutiert, habe noch nichts mitbekommen. Es besteht ein großes Desinteresse daran, vor allem die Frauen informieren sich nicht und möchten das auch gar nicht.
Informationen aus Medien fehlen, es wird auch gar nicht gelesen.
Und wir wissen ja, dass im TV keinesfalls alles objektiv gezeigt wird.
Deutschland / Europa gilt jedoch wohl sehr oft noch als die Lösung aus der wirtschaftlichen Notlage, kein Wunder, wenn monatlich mit 100% -iger Regelmäßigkeit Leistungen eintreffen!
Wie die Arbeitswelt hier aussieht / dass nicht mit „goldenen Löffeln gegessen“ wird, kann sich keiner so richtig vorstellen! Wir versuchen immer aufzuklären…..
Zum Profitieren Deutschlands von den gut ausgebildeten Akademikern:
Das Beste wäre ja, wenn diese nach Studienabschluss in ihre Heimat zurückkehrten und DORT nützlich würden.
Ich habe schon mehrmals versucht, junge Leute für ein Studium hier zu gewinnen. Aber bis jetzt nutzte KEINER die Chance, da mit Mühen und Arbeit verbunden!
„Die einfachen Leute würden nicht ins Land gelassen..“:
ALLE Immigranten, die ich kenne, kamen OHNE Qualifikationen hierher.
Natürlich ist ihnen damit eine Arbeit im Niedriglohnsektor vorgezeichnet.
ABER sie könnten sich weiterbilden.
Ich kenne leider keinen, der das tat.
D ist in meiner Familie hoch angesehen. Sämtliche Waren daraus werden gerne angenommen & sind dort ein Symbol für Qualität.
Wie das Leben hier jedoch tatsächlich läuft, weiß keiner genau.
Zum „Neokolonialismus“:
Damit dürfte dein Tischnachbar im mainstream liegen.
Sicher ist die Auseinandersetzung damit ein interessantes Thema - auch für hier.
Ich denke öfter darüber nach.
Und „zu tief ins Glas geschaut“ wie der Tischnachbar erlebe ich persönlich nie. Keiner aus meinem Umfeld trinkt Alkohol.
Ich denke, wir bewegen uns in ganz verschiedenen Kreisen in Marokko.