Ramadan
#1
Hallo allerseits.


Seit Jahren erlebe ich in Marokko, dass weite Teile der Bevölkerung während des Ramadan ihren Tagesrhythmus mit ihrem Nachtrhythmus vertauschen.
D.h., dass tagsüber so viel wie möglich geschlafen wird um die abverlangten Entbehrungen möglichst angenehm zu überstehen und nachts ist man aktiv bis in die frühen Morgenstunden.
Kürzlich sprach ich mit einem islamischen Gelehrten, der mir sagte, dass dies kein „richtiger“ Ramadan wäre und kein einziger Tag davon von Allah anerkannt würde.
Im Ramadan ginge es grundsätzlich darum, sich geistig und körperlich zu disziplinieren, sich der eigenen Spiritualität zu widmen und Empathie mit den Bedürftigen zu üben. Durch den Wechsel des Tag-Nacht-Rhythmus, also tagsüber schlafen und nachts wach bleiben, kommt man keinem dieser Absichten nach.
Es ist also mehr oder weniger täglich nur „ein Warten bis dass es vorbei ist“.
Die eigentliche Sinn (Niyyah) würde dadurch keineswegs erfüllt.



Wenn dem tatsächlich so ist, dann wäre das eine Katastrophe für, meinen Beobachtungen nach, weite Teile der marokkanischen Bevölkerung, da das, was sie da machen, überhaupt nicht von Allah als Ramadan anerkannt würde.
Ist also gleich als hätten sie nichts gemacht.



.
Mit besten Grüßen aus Errachidia,

Thomas



In Marokko ist alles möglich nur nichts schnell.
Zitieren
#2
Hallo Thomas, ich bin, wie Du ja weißt,  während des ganzen Ramadan in Tunesien.
Hier gibt es, was man auf den Straßen beobachten kann, keinen merklichen Unterschied zur Zeit vor dem Ramadan.
Ok, die Abende sind etwas geschäftiger, aber nicht sehr lang. Vielleicht gibt es ja doch Unterschiede.

Grüße aus Tunesien
Michael
Zitieren
#3
Interessant zu wissen, daß es in Tunesien anders als in Marokko sein soll. Kann ich kaum glauben. Ich denke, daß in fast allen islamischen Staaten während des Ramadans Tag und Nacht vertauscht werden. Ist selbst in Ägypten mit einem Anteil von 10% Christen so.

In Deutschland geht dies noch nicht, so daß die bereits lange hier lebenden Muslime den Ramadan zumindest im Winter durch sehr frühes Schlafengehen und sehr frühes Aufstehen (4-5 Uhr morgens) zu meistern versuchen. Die vielen Flüchtlingen müssen sich diesem System erst dann anpassen, wenn sie aus der Flüchtlingsunterkunft herauskommen.
Zitieren
#4
(30.03.2025, 10:51)Thomas Friedrich schrieb: Hallo allerseits.


Seit Jahren erlebe ich in Marokko, dass weite Teile der Bevölkerung während des Ramadan ihren Tagesrhythmus mit ihrem Nachtrhythmus vertauschen.

Hallo Thomas, 
das ist zu meinen Leidwesen auch meine Erfahrung, aber sollte doch erwähnt werden. Wer es sich Leisten kann die Nacht zu Tag zu machen. Nicht selten wird darauf Geld gespart um sich hier den Ramadan zurück zu ziehen. 

Interessant finde ich immer, das während den Ramadan und bei Islamischen Festen zum Bespiel an der Kreuzung wo ich täglich durchfahren, nicht die üblichen "Bettler" stehen.
MfG

Marco Wensauer
Zitieren
#5
Hallo,

auf jeden Fall wünsche ich allen, die es feiern,

ein gesegnetes EID MABROUK!

Die Anstrengung des Fastens möge reich belohnt werden.

Herzliche Grüße,
Maria
Zitieren
#6
Hallo Thomas,

du hast ein sehr scharfes Auge. Benutze das auf dem Weg Allahs und lass dich nicht von der Mehrheit täuschen.

Es ist richtig, dass die meisten Muslime leider den Sinn des Ramadans nicht kennen.
Zu mal werden immer die selben Fehler gemacht. Der Monat Ramadan ist nicht umsonst für uns Muslime ein gesegneter Monat.
In dieser Zeit muss man sich besonders abmühen.
Dazu gehören:
Ibadah (Gebet), Dhikr (Gedenken Allahs), Tawba (Reue), Dua (Bittgebet), Sadaqah (Almose), Quran lesen bzw. den Islam studieren

Tagsüber zu schlafen, seine Zeit zu verschwenden, und anschließend am Abend zu speisen ist definitiv nicht der Sinn des Ramadans.
Die Gefährten des Propheten sowie der Prophet, Friede sei mit ihm und ihnen, haben definitiv ihre Zeit nicht mit dem Schlafen verbracht.

Qiyam ul Layl (Das Stehen in der Nacht) bezeichnet die Gebete in der Nacht, dazu gehören folgende Gebete:

-Taraweeh Gebet (das Gemeindegebet nach dem Isha Gebet)
-Tahajjud-Gebet (wird im letzten Drittel der Nacht verrichtet. Es ist ein freiwilliges Gebet, aber der Prophet verrichtete das Gebet ständig.)
-Witr-Gebet (wird nach dem Taraweeh bzw. nach dem Tahajjud Gebet und vor dem Fajr-Gebet (Das Gebet vor Sonnenaufgang) verrichtet.)

Für das Tahajjud Gebet macht es natürlich Sinn in der Nacht sein Schlaf zu unterbrechen. 
Es ist jedoch nicht verwerflich, wenn man die Nacht aufbleibt. 
Es ist jedoch meistens dann der Fall, dass man tagsüber schläft, wie du bereits erwähnt hast. 
Und somit ist man dann wieder unproduktiv, wenn es darum geht, den Ramadan auszuleben.

Ein weiterer Fehler beim Taraweeh Gebet ist, dass viele Imame viel zu schnell beten, sodass das Gebet seine Bedeutung verliert.

Natürlich gehört die Arbeit dazu, allerdings ist es dann entscheidend, was man dann in seiner Freizeit macht.

Ein sehr großer Fehler ist auch, dass die meisten Muslime sich nur auf eine Nacht fokussieren.
Diese Nacht wird auch Laylatul Qadr (Die Nacht der Bestimmung) genannt.
Allah sagt in der Sure Al Qadr in Vers 3:

Die Nacht der Bestimmung ist besser als tausend Monate.

1000 Monate entsprechen 83 Jahre. In der Regel beträgt das auch die Lebenserwartung eines Menschen.
Dies ist die Barmherzigkeit Allahs, die er für uns verspricht.

Was kann hier jetzt der Fehler sein?
Allah erwähnt  nirgendwo im Buch, wann genau diese Nacht ist.
Es gibt diesbezüglich mehrere Ahadith (Überlieferungen über den Propheten sowie seinen Gefährten).
In der islamischen Welt hat sich jedoch die 27. Nacht etabliert. Einfach, weil man es sich einfacher machen möchte.

Hier mal aber die Auflistung der Ahadith in kurzer Form:

-in den letzten 7 Tagen
-in den letzten 10 Tagen
-in der 24. Nacht
-in der 27. Nacht
-in der 25, 27 oder 29. Nacht
-in den ungeraden Nächten der letzten 10 Tage

Es hat einen Grund, vielleicht auch mehrere, warum Allah den genauen Tag nicht preisgegeben hat.
Würde man den genauen Tag wissen, würde man sich nur auf diesen einen Tag fokussieren.
Es ist nicht der Sinn, die Gottesdienste und Bemühungen auf eine einzige Nacht zu konzentrieren.
Daraus lernt man, dass Allah möchte, dass wir diese Nacht suchen. Wie sucht man am besten danach?
Indem man an allen Tagen die gleiche Bemühungen erbringt. Auch geht es darum, die Bestrebungen
im Ramadan zu erhöhen, die Verbindung zum Koran und zu Allah zu stärken und schlussendlich Rechtleitung von Ihm zu erlangen.
Quasi die Spiritualität, die du erwähnt hast.
Die Nacht der Bestimmung zu suchen, heißt jedoch nicht zu denken, eine unrealistische Menge an Gottesdiensten zu praktizieren und
sich für eine bestimmte Zeit im Übermaß anzustrengen, um sein Gute-Taten-Konto für das restliche Jahr aufzustocken.
Diese Nacht ist also kein reiner Multiplikator. Es geht darum, dass wir mit unserem Bewusstsein Allah anbeten und die Gottesdienste verrichten.
Dieses Bewusstsein zu erzielen ist der Schlüssel zum Erfolg.


Was ist aber der aller größte Fehler?

Es geht hier um die Beständigkeit. Wir müssen die Nacht der Bestimmung bzw. den Ramadan als einen Wendepunkt im unseren Leben sehen.
Sie dient also dafür, dass wir auch nach dem Ramadan unsere Gottesdienste aufrecht erhalten. Und hier fängt das Problem bei den Meisten an.
Die Unmengen an Gottesdienste, die man im Ramadan verrichtet hat, werden nach dem Ramadan nicht mal ansatzweise erreicht.
Daher auch die Aussage, dass es in der Nacht der Bestimmung nicht darum geht, Unmengen an Gottesdienste zu verrichten, 
die man nach dem Ramadan nicht aufrecht erhalten kann. Mit Beständigkeit ist gemeint, dass man ein Gottesdienst auch nach dem Ramadan
aufrecht erhält, und auch wenn es nur eine kleine Tat ist.

Ist bisschen lang geworden, aber der Ramadan ist kein Thema, was man in ein zwei Sätzen erzählen kann. Es gibt gewiss noch mehr.

Gruß

Enes
فَاغْتَنِمْ وَقْتَكَ فِيْهَا قَبْلَ مَا فِيْهَا يَفُوْت
قُلْ بِخَيْرٍ تَجْتَنِيْهِ اَوْ تَحَلَّى بِالسُّكُوْت
Zitieren
#7
Hallo Enes, 

danke für deine ausführlichen Erklärungen!


Aber: 
Das ist deine Interpretation, von der du (und andere) überzeugt bist. 
Andere interpretieren den Koran und ihr Tun anders und sind davon genauso überzeugt, das Richtige zu tun, wie du von deinen Ausführungen überzeugt bist. 

Wieder andere sind sich sicher, dass es überhaupt keinen Allah gibt und alle Götter menschliche Erfindungen waren und sind, um nicht Verständliches erklärbar zu machen ("kommt alles von Gott") und Macht über gutgläubige Menschen auszuüben.

Es ist schwer, Menschen von dem abzubringen, was sie glauben. 
Das geht nur mit Argumenten, aber blind Glaubende verweigern sich sachlichen Diskussionen und Argumentationen. 


Je weniger man weiß, desto mehr muss man glauben!




.





.
Mit besten Grüßen aus Errachidia,

Thomas



In Marokko ist alles möglich nur nichts schnell.
Zitieren


Gehe zu:


Benutzer, die gerade dieses Thema anschauen: 3 Gast/Gäste