20.02.2021, 00:12
Eine Reise durch den Südosten Marokkos gleicht einer Reise durch eine Märchenwelt. Leuchtend grüne Oasen finden sich mitten in malerischen Wüstenregionen und dazwischen: Immer wieder Lehmburgen.
Groß und mächtig stehen sie da, die Kasbahs des Südens. Schon von weitem sieht man sie aus dem Grün der Oasen herausragen, es ist, als wären sie ein Teil der Gärten, an deren Ränder sie stehen. Und ganz ehrlich? Das sind sie auch. Denn diese alten prächtigen Burgen, eben sogenannte Kasbahs, werden aus dem gebaut, was sie umgibt: Lehm. Das ist nicht nur ungemein praktisch, da das Baumaterial sozusagen direkt vor der Haustüre liegt, sondern auch günstig. Das Beste an den herrlichen Burgen aber ist, dass sie wie ein modernes Passiv-Haus funktionieren: Im Winter sind sie nie zu kalt und im Sommer sind sie angenehm frisch. Grund hierfür sind nicht nur die wenigen Fenster, die bei klassischen Kasbahs grundsätzlich auch nur in den Innenhof gehen, sondern auch die bis zu einem Meter dicken Mauern aus Stampflehm, die jeden Temperaturaustausch unmöglich machen.
Kurz vor dem Aus
Dabei drohten sie vor rund 30 Jahren komplett zu verschwinden. Denn Lehm ist kein belastbares Baumaterial: Ein lang andauernder Regen, heftige Stürme oder eine zu früh oder zu stark einsetzende Schneeschmelze aus dem Hohen Atlas: Und die schönen Häuser aus Lehm sind dahin. Da schien Beton doch viel stabiler- und schicker, da moderner, war es auch. Doch Gott sei Dank kam es nie soweit. Denn zum Einen erkannte der Staat, dass das kulturelle Erbe des Südens mit dem Verfall der alten Kasbahs zerstört würde, zum anderen begann man das touristische Potential der Lehmhäuser zu entdecken. Und so wurden mehr und mehr der alten Burgen restauriert und erneuert, zum Teil mit Beton verstärkt, doch immer so, dass man ihn nicht von Außen sah. Als klar wurde, WIE sehr Touristen diese alten Burgen liebten, begann man auch neue Kasbahs zu bauen – im Stil der alten natürlich, aber mit Methoden der Moderne: Stahlbetonpfeiler statt Akazienstämme, Betondecken statt Schilfteppiche, Außenfenster statt einer reinen Ausrichtung nach Innen. Das praktische an diesen modernen Kasbahs war, dass man die Räume größer machen konnte als bisher, oder besser gesagt, breiter. Denn konnten Räume bis dahin kaum mehr Breite als 2 Meter haben (da die Holzstämme, Dattelholz und Akazie) nicht mehr Last tragen konnten, sind heute in den Burgen Zimmer wie in modernen Bauten möglich. Ideal für eine touristische Nutzung.
Oasen als Lebensquellen
Kasbahs oder Ksour (sing. Ksar), wie die befestigten Lehmdörfer heißen, stehen immer am Rande von Oasen. Selten darin. Denn der wenige Platz, der problemlos bewässert werden kann, dient dem Obst- und Gemüseanbau. Wasser ist Leben. Das gilt auch bei uns. Doch in der Wüste wird einem diese einfache Wahrheit noch einmal sehr viel schneller klar. Denn ohne Wasser gibt es keine Nahrung. So sind Oasen nicht einfach nur schön anzuschauende Orte, die sich aus dem Ocker der Wüste saftig grün erheben, sondern der Lebensraum der Wüstenbewohner. Über ausgeklügelte Kanal- und Wassersysteme wird Wasser in die Gärten geleitet. Und damit niemand der Bewohner einer Oase zu wenig Wasser bekommt, wacht der Wasserwächter über alles. Ein Stock in die Erde gesteckt zeigt durch seinen Schatten auf der Wasseruhr an, wie lange Wasser durch welchen Kanal strömt. Wasser ist hier so wichtig wie das Land an sich. In Oasen gilt Besitz von Erde nicht mehr als Besitz von Wasser. Und so kann der eine dem anderen das andere verkaufen. Überhaupt hat in den Oasen alles eine andere Wertigkeit. Man unterscheidet zwischen fünf wesentlichen Elementen: Dem Land, der Saat, der Arbeitskraft, dem Arbeitsgerät und Wasser. Je mehr ein einzelner stellen kann, desto höher ist sein Anteil an der Ernte. Reich ist, wer mindestens über vier der fünf Elemente verfügt, denn er bekommt 4/5 der Ernte, auch wenn er sein Feld selbst nie bearbeitet.
Feldbau und Tourismus – eine win-win-Situation
Heute leben die meisten der Oasenbewohner vom Feldbau und/oder dem Tourismus. Meistens geht beides miteinander einher. Wohnen in einer Kasbah garantiert echtes 1001 Gefühl, die Gärten eignen sich für die Gäste wunderbar zum Spazieren und die Kulisse der Berge im Hintergrund könnte schöner kaum sein. Gäste konsumieren die Produkte der Gärten der Bewohner vor Ort, wenn sie am Abend in ihren Hotels zu Abend essen und kaufen im günstigsten Fall auch noch in dem kleinen Souvenirshop des Hauptortes ein paar schöne Mitbringsel. So erhalten sie mit ihrem Geld die alte Architektur des Südens und beugen der Landflucht vor. Sie selbst erleben dafür ganz besondere Tage. Das Leben in einer Kasbah, die Gastfreundschaft der Bewohner und die Schönheit Marokkos in ihrer ganzen Vielfalt. So profitieren am Ende beide Seiten – und genau so sollte Tourismus auch funktionieren.
Mehr zu Kasbahs und Ksour, zum Oasenleben und Tourismus entlang der Straße der Kasbahs und weiter im Süden finden Sie in meinen Büchern "KulturSchock Marokko, Reise Know-How" und "Stefan Loose Travel Handbuch Marokko, Mairdumont"
Quelle: https://marokko.com/reisen/kasbahs-wueste-und-oasen
Groß und mächtig stehen sie da, die Kasbahs des Südens. Schon von weitem sieht man sie aus dem Grün der Oasen herausragen, es ist, als wären sie ein Teil der Gärten, an deren Ränder sie stehen. Und ganz ehrlich? Das sind sie auch. Denn diese alten prächtigen Burgen, eben sogenannte Kasbahs, werden aus dem gebaut, was sie umgibt: Lehm. Das ist nicht nur ungemein praktisch, da das Baumaterial sozusagen direkt vor der Haustüre liegt, sondern auch günstig. Das Beste an den herrlichen Burgen aber ist, dass sie wie ein modernes Passiv-Haus funktionieren: Im Winter sind sie nie zu kalt und im Sommer sind sie angenehm frisch. Grund hierfür sind nicht nur die wenigen Fenster, die bei klassischen Kasbahs grundsätzlich auch nur in den Innenhof gehen, sondern auch die bis zu einem Meter dicken Mauern aus Stampflehm, die jeden Temperaturaustausch unmöglich machen.
Kurz vor dem Aus
Dabei drohten sie vor rund 30 Jahren komplett zu verschwinden. Denn Lehm ist kein belastbares Baumaterial: Ein lang andauernder Regen, heftige Stürme oder eine zu früh oder zu stark einsetzende Schneeschmelze aus dem Hohen Atlas: Und die schönen Häuser aus Lehm sind dahin. Da schien Beton doch viel stabiler- und schicker, da moderner, war es auch. Doch Gott sei Dank kam es nie soweit. Denn zum Einen erkannte der Staat, dass das kulturelle Erbe des Südens mit dem Verfall der alten Kasbahs zerstört würde, zum anderen begann man das touristische Potential der Lehmhäuser zu entdecken. Und so wurden mehr und mehr der alten Burgen restauriert und erneuert, zum Teil mit Beton verstärkt, doch immer so, dass man ihn nicht von Außen sah. Als klar wurde, WIE sehr Touristen diese alten Burgen liebten, begann man auch neue Kasbahs zu bauen – im Stil der alten natürlich, aber mit Methoden der Moderne: Stahlbetonpfeiler statt Akazienstämme, Betondecken statt Schilfteppiche, Außenfenster statt einer reinen Ausrichtung nach Innen. Das praktische an diesen modernen Kasbahs war, dass man die Räume größer machen konnte als bisher, oder besser gesagt, breiter. Denn konnten Räume bis dahin kaum mehr Breite als 2 Meter haben (da die Holzstämme, Dattelholz und Akazie) nicht mehr Last tragen konnten, sind heute in den Burgen Zimmer wie in modernen Bauten möglich. Ideal für eine touristische Nutzung.
Oasen als Lebensquellen
Kasbahs oder Ksour (sing. Ksar), wie die befestigten Lehmdörfer heißen, stehen immer am Rande von Oasen. Selten darin. Denn der wenige Platz, der problemlos bewässert werden kann, dient dem Obst- und Gemüseanbau. Wasser ist Leben. Das gilt auch bei uns. Doch in der Wüste wird einem diese einfache Wahrheit noch einmal sehr viel schneller klar. Denn ohne Wasser gibt es keine Nahrung. So sind Oasen nicht einfach nur schön anzuschauende Orte, die sich aus dem Ocker der Wüste saftig grün erheben, sondern der Lebensraum der Wüstenbewohner. Über ausgeklügelte Kanal- und Wassersysteme wird Wasser in die Gärten geleitet. Und damit niemand der Bewohner einer Oase zu wenig Wasser bekommt, wacht der Wasserwächter über alles. Ein Stock in die Erde gesteckt zeigt durch seinen Schatten auf der Wasseruhr an, wie lange Wasser durch welchen Kanal strömt. Wasser ist hier so wichtig wie das Land an sich. In Oasen gilt Besitz von Erde nicht mehr als Besitz von Wasser. Und so kann der eine dem anderen das andere verkaufen. Überhaupt hat in den Oasen alles eine andere Wertigkeit. Man unterscheidet zwischen fünf wesentlichen Elementen: Dem Land, der Saat, der Arbeitskraft, dem Arbeitsgerät und Wasser. Je mehr ein einzelner stellen kann, desto höher ist sein Anteil an der Ernte. Reich ist, wer mindestens über vier der fünf Elemente verfügt, denn er bekommt 4/5 der Ernte, auch wenn er sein Feld selbst nie bearbeitet.
Feldbau und Tourismus – eine win-win-Situation
Heute leben die meisten der Oasenbewohner vom Feldbau und/oder dem Tourismus. Meistens geht beides miteinander einher. Wohnen in einer Kasbah garantiert echtes 1001 Gefühl, die Gärten eignen sich für die Gäste wunderbar zum Spazieren und die Kulisse der Berge im Hintergrund könnte schöner kaum sein. Gäste konsumieren die Produkte der Gärten der Bewohner vor Ort, wenn sie am Abend in ihren Hotels zu Abend essen und kaufen im günstigsten Fall auch noch in dem kleinen Souvenirshop des Hauptortes ein paar schöne Mitbringsel. So erhalten sie mit ihrem Geld die alte Architektur des Südens und beugen der Landflucht vor. Sie selbst erleben dafür ganz besondere Tage. Das Leben in einer Kasbah, die Gastfreundschaft der Bewohner und die Schönheit Marokkos in ihrer ganzen Vielfalt. So profitieren am Ende beide Seiten – und genau so sollte Tourismus auch funktionieren.
Mehr zu Kasbahs und Ksour, zum Oasenleben und Tourismus entlang der Straße der Kasbahs und weiter im Süden finden Sie in meinen Büchern "KulturSchock Marokko, Reise Know-How" und "Stefan Loose Travel Handbuch Marokko, Mairdumont"
Quelle: https://marokko.com/reisen/kasbahs-wueste-und-oasen