Marokko-Erfahren erneut auf Entdeckungsreise in Marokko
#56
Agadir Ighir Ouriz
 
Ein Speicher der ganz besonderen Art, aber davor gilt: ohne Schweiß kein Preis. Zuerst war es ja noch ganz einfach. Aus Tafraoute nur wenige Kilometer die R 105 gefahren bis eine Piste nach rechts zum Dorf Ighir Ouriz abzweigt. Gut befahrbar und breit, nur die letzten Meter hinunter zum Dorf sind etwas holprig. Wir wollen zum nur noch zu Fuß erreichbaren alten Ort Agadir Ighir Ouriz.
 
Mit Interesse wird unsere Ankunft beobachtet, wir bekommen den Tipp, unsere Sandalen gegen festes Schuhwerk zu tauschen. Dann erkundigen sich die offensichtlich auf Gasflaschenlieferung wartenden Männer noch, ob wir Essen und Trinken mitführen, da uns ein langer Fußmarsch bevorsteht Etwas unsicher schauen wir in die vegetationslose Umgebung, um den richtigen Weg zum alten Dorf zu finden, als sich schon ein Mann zu uns gesellt und bedeutet, wir sollen ihm folgen. Wenige Meter hinter dem Dorf zeichnet sich deutlich ein Pfad ab und wir versuchen unserem Begleiter zu erklären, dass wir nun allein zurechtkommen werden. Das lehnt er ab, erklärt, dass das Ziel 7 km entfernt ist und läuft in angenehmem Tempo vor uns her. Wenn wir pausieren möchten, setzt auch er sich hin. Um uns nur Geröll, ab und an schiebt sich ein Büschel Rosmarin oder weiß blühender Kümmel durch die Steine. Ob diese Pflanzen wohl gänzlich ohne Wasser leben können?
 
Dann erreichen wir einen Felsblock, entdecken unter uns Ruinen eines verlassenen Dorfes, ein betonierter schmaler Weg führt aufwärts. Neugierig steigen wir ihn hoch und stehen unvermittelt vor einem hölzernen Eingangstor. Mit einem "bismillah" betritt unser Guide den Speicher, wir folgen. Unter den Felsen gebaut schmiegt sich eine Speicherburg, deren Kammern tief in den gewachsenen Felsen hineingehen. Die senkrechten Fronten sind gekalkt, einerseits um die Hitze abzuhalten, aber wohl auch, um böse Geister zu vertreiben?
 
   
 
Beim Durchstreifen zählen wir 42 Kammern, sie sind auf verschiedenen Ebenen angeordnet, alle über den außen umlaufenden Gang begehbar. Manche erreicht man über Trittsteine oder kleine, in den Felsen gehauene Treppen. Groß sind die Kammern im Inneren, haben vier bis fünf Abteile, gut belüftet durch kleine Öffnungen. Wir entdecken viele große Tonkrüge, Körbe mit alten Holzdokumenten, verzierte Türen, Reste alter Holzschlösser. Eine Schatzsuche ist nichts dagegen!
 
Ergriffen von so einer Pracht machen wir im Außengang ein kleines Picknick, um dann gestärkt weiter zu stöbern. Wie klein müssen die Menschen gewesen sein, die den Speicher gebaut haben. Die Eingangspforte war bereits sehr niedrig, durch manch eine Kammertür kann ich nur krabbeln. Und damals wurden Lasten hierhergeschleppt: Säcke mit Getreide, Gemüse, Krüge mit Öl, Honig oder Butter gefüllt. Das war bestimmt ein hartes Leben.
 
Fast möchte man diesen zauberhaften Ort nicht verlassen. Mir fallen bei den unzähligen von uns besichtigten Speicherburg nur zwei ein, die eine ähnlich faszinierende Ausstrahlung auf mich ausübten, wie Ighir Ouriz: Agadir Aguelloui bei Amtoudi und Agadir Tasguent.
 
Bevor wir uns wieder auf den Abstieg begeben, lassen wir den Blick noch über das Ruinendorf und das heute trockene Flussbett wandern. Doch halt, was ist das?
Ein aus Lesesteinen gebautes Aquädukt überspannte einst den Fluss, heute existieren auf der einen Seite noch zwei intakte Bögen, auf der anderen Seite einer. Sicher die alte Wasserzufuhr für das Dorf. Jedenfalls ein Wunder an Baukunst - schließlich hat man es zur damaligen Zeit im sicher nicht gerade wasserarmen Fluss gebaut, auch muss die Fließgeschwindigkeit genau berechnet worden sein. Und das alles war ohne die uns heute so geläufige Technik möglich.
Aber unser Guide hat vor dem langen Rückweg noch ein As im Ärmel, führt uns zielstrebig durch das zerfallene Dorf, bis wir an einer Holztür ankommen. Er öffnet sie, vorsichtig tasten wir uns im Halbdunkel einige Stufen abwärts.
Langsam gewöhnen sich unsere Augen an das Dämmerlicht, wir registrieren, dass wir uns in der alten Moschee befinden. Hohe, von vielen Berührungen blank gewetzte Holzsäulen stützen einen großen Raum, die Deckenbalken sind alle farbig verziert in rot, weiß und schwarz, eine Wand trägt rote und grüne Muster. Zu unserer Verwunderung hat diese Moschee zwei reich verzierte Gebietsnischen.
So eine Pracht scheint offensichtlich dem Verfall preisgegeben zu sein. Was kann man bloß tun, um so einen Kulturschatz zu erhalten?
 
Kaum können wir uns von diesem Anblick trennen, werden aber mit einem fast schüchtern geäußerten " jallah" von unserem Guide an den Rückweg erinnert.
Prall gefüllt mit Erlebnissen stapfen wir müde hinter ihm her. Auch er freut sich über die ein oder andere von uns erbetene Pause. Endlich zeigen sich die ersten Häuser vom Dorf Ighir Ouriz, hinter uns liegen 14 km und 900 Höhenmeter.
Barbara & Andreas
marokko-erfahren.de
marokko-erfahren ist eine unabhängige europaweite Privatinitiative zur Förderung von Beschäftigung und Kulturerhalt.
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RE: Marokko-Erfahren erneut auf Entdeckungsreise in Marokko - von marokko erfahren - 26.10.2022, 22:14

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