Unsicheres Herkunftsland?
#15
Hallo Keela,

ich hatte mir erlaubt die besagte Dame eigenständig anzuschreiben.

Heute kam die Antwort:

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Sehr geehrter Herr Friedrich,
vielen Dank für die E-Mail an unsere Parteivorsitzende Ricarda Lang. Da
unsere Vorsitzende terminlich stark eingebunden ist, hat sie mich darum
gebeten Ihnen zu antworten.
Im Grunde haben Sie Ihre Frage ja bereits selbst schon beantwortet. Die
Einstufung als "sichere Herkunftssstaten" würde klare Nachteile für
Menschen bringen, die wirklich unter Verfolgung leiden und deshalb Asyl
beantragen. In Algerien, Marokko und Tunesien trifft das z.B. Schwule
und Lesben, Oppositionelle und Journalist*innen. In allen drei Ländern
sind z.B. homosexuelle Handlungen strafrechtlich verboten und es wurden
in den vergangenen Jahren wiederholt Schwule und Lesben wegen
einvernehmlicher gleichgeschlechtlicher Handlungen zu Freiheitsstrafen
bis zu drei Jahren verurteilt. Aber auch Frauen sind generell nicht
hinreichend vor sexualisierter Gewalt geschützt.
Die Beweislast für diese Gruppen würde die Einstufung als "sichere
Herkunftsstaaten" de facto umgekehrt. Sie müssten dann ihre individuelle
Verfolgung beweisen. Die Einstufung führt nämlich dazu, dass Asylanträge
aus einem solchen Staat nicht unvoreingenommen vom Bundesamt für
Migration (BAMF) individuell geprüft werden. Sie werden in aller Regel
als "offensichtlich unbegründet" abgelehnt. Hier greift dann eine
gesetzliche Regelvermutung, in diesen Staaten werde nicht verfolgt -
auch wenn die Tatsachen dagegen sprechen. Wir finden das unhaltbar und
haben deshalb gegen die geplante Einstufung gestimmt. Erst ein
rechtsstaatliches Verfahren kann über die jeweilige Gewährung oder
Ablehnung von Asyl entscheiden - und nicht die Politik im Voraus. Wir
fordern zügige und faire Verfahren binnen weniger Wochen, wenden uns
aber dagegen, Menschen pauschal in ihren Verfahrensrechten zu beschneiden.
Welche Länder als sichere Herkunftsstaaten definiert werden dürfen,
regelt das Grundgesetz in Artikel 16, Absatz 3: Dort heißt es: "Durch
Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten
bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung
und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint,
dass dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder
erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet." Das
Bundesverfassungsgericht hat 1996 geurteilt, welche Bedingungen für die
Bestimmung eines Staates zum sicheren Herkunftsstaat erfüllt sein
müssen. Danach muss in den betreffenden Staaten die "Sicherheit vor
politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und
Bevölkerungsgruppen bestehen".
Straftäter*innen müssen strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen werden,
anstatt alle Schutzsuchenden aus dem Maghreb durch eine
Asylrechtsverschärfung zu "bestrafen". Bereits jetzt werden übrigens
schon rund 97% aller Asylanträge aus Tunesien, Algerien und Marokko
abgewiesen. Die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten, um Asylanträge
als unbegründet zurückzuweisen, sind also durchaus ausreichend
Selbstverständlich hat die Politik die Aufgabe, Lösungen für
gesellschaftliche Probleme zu suchen. Populismus ist dabei ein schlecher
politischer Ratgeber. Grundlage für Entscheidungen kann nur unsere
freiheitlich-demokratische Grundordnung sein und nicht Praktiken am
Völkerrecht vorbei.
Ich hoffe, ich konnte Ihr Anliegen zufriedenstellend beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Hans-Christian Mrowietz
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Bundesgeschäftsstelle
Abteilung digitale Kommunikation
Platz vor dem Neuen Tor 1
10115 Berlin




.
Mit besten Grüßen aus Errachidia,

Thomas



In Marokko ist alles möglich nur nichts schnell.
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Unsicheres Herkunftsland? - von Keela - 19.09.2023, 07:29
RE: unsicheres Herkunftsland - von jurudo - 19.09.2023, 09:25
RE: Unsicheres Herkunftsland? - von Marc99 - 19.09.2023, 13:14
RE: Unsicheres Herkunftsland? - von Aksayt - 19.09.2023, 13:18
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